Sie kennen vielleicht das Phänomen, die Ernsthaftigkeit gewisser Kunstwerke zu hinterfragen oder gar als nicht künstlerisch wertvoll aufzufassen. Es gibt Malereien, die wie von Kinderhand gezeichnet wirken.
Wenn Sie sich dann näher mit dem Schöpfer befassen, verursacht das Alter des Künstlers oftmals Verwunderung. Können Sie sich an solche Ereignisse erinnern?
Mit großer Wahrscheinlichkeit standen Sie vor einem Werk des Primitivismus.
Was ist Naive Kunst? – Definition und ähnliche Stile
Die Naive Malerei wird von Künstlern praktiziert, die sich ihr Wissen selbstständig durch Ausprobieren verschiedener Maltechniken angeeignet haben. Aus diesem Grund wird diese Stilrichtung auch als Laienmalerei bezeichnet, da ihnen oft das konventionelle Fachwissen über die formalen Methoden fehlt.
Dennoch sind die Maler nicht zu verwechseln mit Menschen, die aus reinem Spaß malen. Ein Anhänger der Naiven Kunst erschafft seine Werke mit der gleichen Leidenschaft eines ausgebildeten Malers und verfolgt gewisse Intentionen, wie beispielsweise der Ausdruck seiner Gefühlswelt und Vorstellungen auf einfache Weise.
Charakteristika des modernen Primitivismus:
- einfache Darstellungen von Objekten mit kindlichem Charakter
- unbekümmerte und fantasievolle Realisierung von Visionen
- typische Perspektivlosigkeit von Objekten, die im Raum zu schweben scheinen
- keine Verwendung von Schatten
- sehr detailliertes Arbeiten mit gesättigten und brillanten Farben
Oft stellen die Kunstwerke individuelle Wunschträume dar, welche der Urheber tief im Inneren verspürt.
Die Naive Malerei will sich von der unaufrichtigen Vorgehensweise anderer Künste absondern und den Fokus auf die Klarheit und Einfachheit legen, ohne dabei durch Methodenwissen überzeugen zu wollen.
Diese Form des Primitivismus überschneidet sich mit den Kunstströmungen der angloamerikanischen Outsider Art oder der französischen Art Brut.
Beide Begriffe umfassen Kunstwerke von Menschen, die kein Wissen über künstlerische Methoden haben. Vielmehr folgen sie ihrem inneren Drang, sich durch Farben auszudrücken. Kinder, Menschen mit Behinderung und psychischen Erkrankungen oder gesellschaftliche Außenseiter werden als Hauptakteure dieser Form der einfachen Kunst gerechnet.
Ihre Werke sind gekennzeichnet durch einen kreativen Erfindungsreichtum, eine ausgedehnte Fantasie und unkonventionelle Bildsprachen.
Entstehungsgeschichte der Kunstrichtung
Obwohl die Naive Malerei offiziell im 19. Jahrhundert geboren wurde, reichen ihre eigentlichen Ideen und Prinzipien weit in die Vergangenheit zurück. Auch wenn in der vorläufigen Geschichte nicht die Rede von einer Kunstrichtung sein kann, so hatten dennoch viele Menschen das Verlangen nach einer Besinnung auf das Einfache und Klare.
In nahezu jeder künstlerischen Stilepoche sind Rückgriffe auf primitive Vorlagen erkennbar.
Erste Ansätze in der Antike
Alte Schriften beklagen, dass beispielsweise in der Rhetorik ein Mangel an Klarheit und Einfachheit herrschte. Im Laufe der Geschichte fanden Menschen immer wieder Bewunderung an einfachen Lebensweisen von ursprünglichen Völkern.
Im 16. und 17. Jahrhundert bezeichneten Europäer auf ihren Entdeckungsreisen solche Ureinwohner als edel, unschuldig, weise und unverdorben. Die Simplizität ihrer Gedanken galt als Basis einer reinen Tugend und stand der oberflächlichen und verweichlichten europäischen Gesellschaft gegenüber. Ihre Werte wurden als künstlich angesehen.
Weiterentwicklung im 18. Jahrhundert
Diese Zeitepoche war geprägt durch die Aufklärung, welche die Ideen eines einfachen Lebens aufgriffen. Aufklärer sahen in dieser Lebensform das Potenzial eines Glückszustandes, der durch eine besondere Euphorie gekennzeichnet war.
Sie galt seitdem als klassisches Element in religiösen, politischen und ästhetischen Vorstellungen. Erstmals setzten sich Ideen des Einfachen als Methoden in der Malerei durch. Klare Linien mit Fokus auf dem Detail und natürlich-ästhetischen Formen erhielten nun im Klassizismus Einzug als methodische Normen.
Geburtsstunde im 19. Jahrhundert
Paul Gauguin war ein französischer Maler, dessen frühe Werke dem Impressionismus zuzuschreiben sind. Er galt als rastlose Person und wurde von einer innerlichen Unruhe und Zerrissenheit geprägt. Als ihm diese Lücken seiner eigenen Seele bewusst wurden, gab er sich ein Versprechen.
Er wollte das Ursprüngliche und Primitive studieren, um so den Prozess der Selbstheilung voranzutreiben. Er war der Meinung, dass vereinfachte Formen eine Kraft der Überlegenheit ausstrahlten.
Im Jahr 1888 kam er nach seinen Karibikreisen zurück in seine französische Heimat in der Bretagne. Seine Erlebnisse waren der Antrieb, eine eigenständige Malweise mit einer individuellen Bildsprache zu entwickeln. Dieser Stil wurde in der Literatur als Symbolismus, Nachimpressionismus oder Synthetismus bezeichnet. Doch in Wahrheit ist Gauguin der Begründer des Primitivismus.
Sein Bild „Die Vision nach dem Gebet – Jakobs Kampf mit dem Engel“ gilt als Meilenstein in seiner künstlerischen Entwicklung. Formen, Objekte und Farben sind nicht mehr von Eindrücken aus der Natur geprägt, sondern werden durch seine Fantasie geleitet.
Im Werk verbindet der Künstler das Sichtbare in Gestalt einer betenden Frau mit seinen Visionen, die durch einen Engel dargestellt sind. Es symbolisiert den Wandel von optisch geprägten Künsten hin zur Darstellung von geistigen Vorstellungen. Gauguins Naive Malerei folgt mehr der philosophischen Natur und stellt die Ästhetik in den Hintergrund.
Der Künstler bezeichnete sich selbst gerne als wilde Persönlichkeit. In seinen Darstellungen sehen viele Interpreten eine Rückbesinnung auf die künstlerischen Tätigkeiten alter Kulturen. Mit seinen Werken verfolgte er die Intention, die Aufmerksamkeit auf einfache und ursprüngliche Motive zu lenken. Er wollte die Malerei nicht nur verjüngen, sondern auch erneuern.
Gauguin wandte sich bewusst von der modernen Kunst ab. Es widerstrebte seinen Vorstellungen, mit dem Gemalten die Realität illusorisch darzustellen. Vielmehr drückte er durch Farben und Formen seine eigenen Gefühle und Gedanken aus. Diese inneren Bestrebungen sind in einer Briefzeile deutlich erkennbar, mit welcher der Maler einen seiner Freunde ermahnte:
„Malen Sie nicht zu viel nach der Natur. Das Kunstwerk ist eine Abstraktion. Ziehen Sie es aus der Natur heraus, indem Sie vor ihr nachsinnen und träumen.“
20. Jahrhundert
Das Schlüsselthema des modernen Primitivismus liegt in der Forderung nach Klarheit, geht aber weit darüber hinaus. Der Begriff „Naive Kunst“ wurde erstmals in den 1920er-Jahren vom deutschen Kunstschriftsteller Wilhelm Uhde verwendet.
Die Bekanntheit dieser Kunstströmung stieg rasant an, als 1937 die Wanderausstellung „Maîtres populaires de la réalités“ erstmalig in Paris und Zürich zu sehen war. Dennoch wurde der Stil zu dieser Zeit nicht besonders hoch geschätzt. Die Wertschätzung solcher einfachen Künste wie die Art Brut oder die Outsider Art sind Phänomene der Gegenwart.
Viele noch lebende Künstler streben nach Anerkennung ihrer Werke und sehen die Naive Malerei als professionelle Kunstform an, während sich andere Maler gegen eine solche Kommerzialisierung weigern.
Bedeutende Vertreter einfacher Künste
Henri Rousseau (1844-1910), der auch als „Der Zöllner“ (französisch: Le Douanier) bezeichnet wird, gilt als berühmtester Künstler dieser Richtung. Seine Naive Kunst spiegelt sich in Darstellungen des Dschungels mit der tropischen Vegetation wider, wobei der Maler auch Porträts im einfachen Stil erschuf.
Wichtige Stilelemente sind Bewegungen, die in einem stillen Raum mit viel Tiefe eingefroren erscheinen. Typisch für die Gesichter der Figuren sind entweder strenge Profilansichten oder direkte Frontansichten. Diese Darstellung gilt als charakteristisch für die Naive Malerei, in der Menschen nie von hinten oder selten mit verdecktem Gesicht zu sehen sind.
In den starr blickenden Augen von Rousseaus Subjekten und der präzisen Linienführung ist eine tiefe Leidenschaft verborgen. Viele seiner Zeitgenossen verfolgten eine ähnlich leidenschaftliche Verbindung zu unterschiedlichen Themen:
- André Bauchant (1873-1958): Passion für antike Mythologie und enge Verbundenheit zur Natur
- Alfred Wallis (1855-1942): primitive Bootmalereien, die aus dem Gedächtnis entsprangen
- Ben Nicholson (1894-1982): Hang zu klaren Linien und primären Farben
- Camille Bombois (1883-1970): Landschaften, weibliche Akte und Jahrmarktszenen
- Louis Vivin (1861-1936): Liebe zu Blumen, Jagd, Städten und Stillleben
- Séraphine Louis (1864-1942): florale Motive in abstrakter Form, mystisch-religiös geprägt
Wo kann man Naive Kunst kaufen?
Die Naive Kunst findet weltweit ihren Raum in großen Museen und Kunstausstellungen, wo die Werke auch gekauft werden können. Einige Künstler der heutigen Zeit verkaufen ihre Malereien, die entsprechend verschlagwortet sind, auf eigenen Webseiten.
Auch bei Kunstauktionen finden sich ständig Versteigerungen Naiver Kunst und Art Brut:
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