Purismus aka Wabi-Sabi – Die neue Sachlichkeit in der Inneneinrichtung

In unserem modernen Leben, in dem der tägliche Druck, ein oft chaotischer Lebensstil und eine Überreizung unserer Aufmerksamkeit und Sinne omnipräsent sind, ist es eine Erleichterung, ein Zuhause zu haben, das einfach und dennoch authentisch gestaltet ist.

Ein Ort, an dem sowohl das Gesamtdesign als auch die kleineren Details eine klare Intention haben. Alles hat einen Zweck und bleibt seiner Essenz treu. Es ist möglich, ein Heim zu schaffen, das auffällt, aber in seiner Einrichtung zurückhaltend ist, indem man sich auf wenige Hauptmerkmale und ein schlichtes Konzept konzentriert.

Dem Kampf gegen das tägliche Chaos und die permanente Überreizung stehen nicht nur praktische Tipps zur Verfügung. Es gibt komplette Einrichtungsstile, die sich der Reduktion und Einfachheit widmen. Neben dem Minimalismus ist der natürliche Purismus ganz vorne mit dabei – oder Wabi-Sabi, wie der Wohnstil auch genannt wird.

Puristisches Design wurde nicht zuletzt von osteuropäischen Designern geprägt. Puristisches Design kann man sich auch als Bauernhausmoderne vorstellen. Es strahlt ein Gefühl von heiterer Melancholie aus. Puristisches Design gewinnt sowohl in Nordamerika als auch diesseits des großen Teichs an Bedeutung. Es ist leicht an seiner Kombination aus natürlichen Formen, klaren Strukturen, zurückhaltenden Farben, sowie Hölzern und rohen organischen Elementen zu erkennen. Daher auch der Name – puristisch.

Es ist eines jener Designkonzepte, die Sie erkennen, wenn Sie es sehen. Ganz egal, ob Sie puristische Bad-Accessoires kaufen bei kela oder einige Designstücke für den Wohnbereich in Eigenleistung selbst designen und herstellen, es gibt zahlreiche Möglichkeiten, diesen Einrichtungsstil umzusetzen.

Purismus – Ursprünge und Kernelemente

Auf den Punkt gebracht, war der Purismus eine um 1918 entstandene Bewegung, die eine Art Malerei vorschlug, in der Objekte als kraftvolle Grundformen ohne Details dargestellt werden. Diese Kunstbewegung dauerte etwa bis 1925 an.

Die Bewegung wurde von Edouard Jeanneret (besser bekannt als der moderne Architekt Le Corbusier) und Amédée Ozenfant gegründet. In ihrem 1918 erschienenen Buch Après le Cubisme (Nach dem Kubismus) legten sie die Theorie des Purismus dar. Sie kritisierten die Fragmentierung des Objekts im Kubismus und die Art und Weise, wie der Kubismus ihrer Ansicht nach zu dieser Zeit dekorativ geworden war.

Stattdessen schlugen sie eine Art Malerei vor, in der Objekte als kraftvolle Grundformen ohne Details dargestellt werden. Fernand Léger war ein weiterer Schlüsselkünstler, der mit dem Purismus in Verbindung gebracht wurde.

Besonders nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wurde festgestellt, dass der Purismus die Ordnung, Ganzheit, Ausgewogenheit und Klarheit in Werken repräsentiert, ganz ähnlich wie die klassischen Kunstperioden. Anspielungen auf die antike griechische Architektur finden sich in der Kannelierung (ähnlich einer griechischen Säule) auf den Flaschen in Ozenfants Stillleben-Kompositionen.

Ein entscheidendes Element des Purismus war die Umarmung von Technik und Maschine und zielte darauf ab, mechanischen und industriellen Gegenständen eine zeitlose, klassische Qualität zu verleihen. Die metallischen Oberflächen von Maschinen und die Säulen der Architektur wurden in einfachen geometrischen Formen dargestellt und gelten als Absage an die Verzierung, die in vielen Werken zu sehen ist, und als Absage an die inhärente Vorstellung von Schönheit des frühen 20. Jahrhunderts.

Der Purismus erreichte seinen Höhepunkt in Le Corbusiers Pavillon de l’Esprit Nouveau (Pavillon des neuen Geistes), der 1925 für die Internationale Ausstellung für dekorative und industrielle Kunst in Paris gebaut wurde. Dies wurde von den drei Auftraggebern mit Arbeiten aufgehängt, zu denen auch die Kubisten Juan Gris und Jacques Lipchitz gehörten.

Von 1920 bis 1925 produzierten die Künstler eine Zeitschrift namens L’Esprit Nouveau, die als Propagandamaschine für die von ihnen geschaffene Bewegung diente.

Unglücklicherweise war der Purismus für Le Corbusier nicht sehr profitabel und brachte ihm nicht viel Geld ein. Gleichzeitig brach seine Arbeit als Architekt zusammen und er ging schließlich bankrott. So groß diese Verluste auch gewesen sein mögen, sie waren aufgrund seines steigenden Ansehens in der Kunstwelt weniger schwerwiegend.

Trotz der finanziellen Probleme und Schulden von Le Corbusier wurde er zu einem der prominentesten Künstler, Designer und Architekten des 20. Jahrhunderts, alles aufgrund seiner künstlerischen Bewegung und ihrer Resonanz mit architektonischem Design.

Le Corbusier’s Pavillon de l’Esprit Nouveau, Rekonstruktion in Bologna, 1977

Danach zerbrach die Schlüsselbeziehung zwischen Ozenfant und Le Corbusier, was das Ende dieser noch jungen Kunstbewegung einläutete.

Leitgedanken und zentrale Elemente des ursprünglichen Purismus

• Der Purismus reduzierte das Thema auf die Beziehungen seiner geometrischen Winkel und Formen, die durch Farbe weiter betont wurden, um einen einheitlichen Effekt zu erzielen. Diese „reinen“ Formen waren aus ihren intrinsischen Qualitäten zusammengesetzt und entbehrten jeder repräsentativen Bedeutung. Dies infiltrierte alle Aspekte der Künste, einschließlich Malerei, Design und Architektur.
• Zusammen mit dem Aufkommen von Technologie und dem Maschinenzeitalter strebten puristische Künstler danach, mechanischen und industriellen Gegenständen eine zeitlose Qualität zu verleihen. Dies beeinflusste die Arbeit, in der Formen Verweise auf alte, klassische Formen ohne Dekoration oder zusätzliche Verzierung verliehen wurden.
• Die Stilllebenmalerei wurde zu einer beliebten Form der Artikulation puristischer Philosophien. In diesem Genre nahmen Künstler Objekttypen oder reproduzierbare Alltagsgegenstände aus ihrer eigenen Umgebung und reduzierten sie auf ästhetisch ansprechende Formen und Formen, welche die einfache Schönheit der modernen Welt betonten.
• Als perfekte Zeitkapsel der Bewegung präsentierte auf deren Höhepunkt die Internationale Ausstellung für dekorative und industrielle Kunst in Paris Le Corbusier, Ozenfant, Fernand Léger neben den Kubisten Juan Gris und Jacques Lipchitz, woraufhin Ozenfant und Le Corbusier ihre Partnerschaft beendeten. Ironischerweise war dies die Geburtsstunde der Art-déco-Bewegung.
• Der Purismus lehnte den übertriebenen Schmuck und Verzierungen ab, welche damals den bürgerlichen Schönheitsbegriff der Gesellschaft prägten. Die Bewegung und insbesondere Le Corbusiers Eintreten für die Vereinfachung und Modulation von Formen beeinflusste Generationen von Künstlern und Architekten, die sich für Massenproduktion und klassische Ordnung in Kunst, Bauwesen, Design und sogar der Konstruktion von Stadtplänen interessierten.

Purismus in der modernen Inneneinrichtung – vom Zauber des Weglassens

Der Purist ist ein Mensch, der mit wenigen Dingen lebt und dem Menschen mehr Raum schafft. Die Ausstattung ist minimalistisch und reduziert. Deshalb muss sie jedoch nicht unbedingt kühl und leer wirken. Das Motto lautet: kein Stück zu viel, aber auch keins zu wenig. Natürliche Materialien, insbesondere unbehandeltes Holz und Naturtextilien wie Wolle und Leinen, sorgen für Wohligkeit, Heimeligkeit und Wärme.

Hier lassen sich klare Parallelen zum Hygge-Lifestyle und Scandi Chic Einrichtungsstil ziehen.

Der besondere Charme einer puristischen Inneneinrichtung liegt auch darin, weniger „laut“ zu sein, damit Auge, Geist und Seele gut zur Ruhe kommen können. Ein puristischer Raum flüstert sanft zu den Bewohnern.

Der bewusste Verzicht bezieht sich auf die Anzahl der Dinge und in gewisser Weise auch auf den Herstellungsprozess von Wohngegenständen, Möbeln und Accessoires. An deren Funktionalität wird festgehalten. Hochglanzoberflächen, Kunststoff und Co. werden nach Möglichkeit weggelassen oder clever verborgen.

Den besonderen Charme von hochwertigen und langlebigen Naturmaterialien finden wir ja in dem Umstand, dass sie mit Würde altern. Über die Zeit setzen viele eine charakteristische Patina an, die zusätzlichen Charme verleiht.

Für Perfektionisten und Liebhaber von Geradlinigkeit ist der natürliche Purismus à la Wabi-Sabi allerdings eher nicht geeignet. Denn trotz Reduktion und achtsamer Einrichtungsphilosophie wird hier nicht minutiös mit dem Lineal Kante für Kante gezogen. Allein schon die organischen Formen im Raum und in den Objekten brechen mit Geradlinigkeit und geometrischer Ordnungsliebe.

Runde Körbe und Kisten mit abgerundeten Ecken sorgen auch hier für schnelle, gelebte Ordnung. Diese können gerne frei im Raum einen Platz finden und eine natürliche Verbindung miteinander eingehen. Für Stauraum ist mit Sideboards und Regalen in reduzierten Designs gesorgt.

Wabi-Sabi – Schönheit in jedem Aspekt der Unvollkommenheit in der Natur

Apropos: Wabi-Sabi, das im modernen Interior Design und in der Inneneinrichtung eng mit dem Purismus verbunden ist, ist ein japanisches ästhetisches Konzept (Konzept der Wahrnehmung von Schönheit). Im Zen-Buddhismus verwurzelt, ist es eine Entsprechung zur ersten der buddhistischen Vier Edlen Wahrheiten, Dukkha.

Wabi-Sabi ist, übertragen auf zahlreiche Lebensbereiche, die Ansicht oder der Gedanke, Schönheit in jedem Aspekt der Unvollkommenheit in der Natur zu finden. Es geht um die Ästhetik der Dinge, die als “unvollkommen, unbeständig und unvollständig” bekannt sind.

Es ist eine sanfte Art und Weise, das Natürliche und Reine zu würdigen und die Schönheit jeder Substanz oder jedes Wesens in seiner natürlichsten und rohesten Form anzuerkennen. Es beseitigt das eher verwestlichte Konzept der künstlichen Schönheit.

Interior Design | Modern Wabi-Sabi Home Tour

Eine tiefergehende Auseinandersetzung mit diesem Begriff und der fernöstlichen Philosophie dahinter finden Sie im Artikel: „Was bedeutet Wabi Sabi? | Philosophie, Kunst und Alltags“ der SAKURA Nachrichten.

So gelingt der puristische Einrichtungsstil à la Wabi-Sabi in den eigenen vier Wänden

Es ist möglich, ein in sich ruhendes Heim zu schaffen, das mit dem besonderen Charme des Purismus beeindruckt, und in seiner Gesamtheit stets sanft und zurückhaltend ist. Richten Sie Ihren Fokus auf wenige Hauptmerkmale und folgen Sie nachfolgenden Tipps, damit der Einrichtungsstil in Ihrem Zuhause wunderbar gelingt.

01  Hochwertige Materialien

Die Auswahl hochwertiger Materialien ist ein wichtiges Detail im puristischen und minimalistischen Design. Es gilt das Motto „Weniger ist mehr“ und „Qualität statt Quantität“.

Hochwertige Materialien wie eine Marmorkulisse in Ihrer Küche werden die Zeit überdauern und sind daher eine kluge Investition sowie ein bedeutendes Gestaltungselement, das auf zurückhaltende Weise Selbstbewusstsein und Eleganz ausstrahlt.

Grobe Materialien und weiche Oberflächen dürfen ausdrücklich miteinander kombiniert werden. Es ist das Wechselspiel verschiedener Texturen, das einem puristischen Zuhause die Nüchternheit nimmt und die Wohnlichkeit einziehen lässt. Ein Mix aus unterschiedlichen Naturmaterialien (naturbelassenes Holz, Stein, Ton, Bast, …) funktioniert am besten.

Sie sind der Mittelpunkt eines jeden Raums, und wenn Sie ihnen Raum geben, können Sie die Kunst des minimalen Lebens voll ausleben.

Auch dem Badezimmer wird große Aufmerksamkeit zuteil. Runde, freistehende Badewannen aus Marmor oder Naturstein sind eine beliebte Wahl im Wabi-Sabi.

Inspirationen für Puristische Badezimmer finden Sie in unserer Pinterest Sammlung

(für die Anzeige des Pinterest Boards müssen Sie den Cookies zugestimmt haben)

Auch schicke Kombinationen aus Metall und Eichenholz ergänzen die Ausstattung eines modernen Badezimmers im Wabi-Sabi Style wunderbar. Insbesondere die Verbindung von schwarzem Metall und natürlich gemasertem Holz sorgen für einen spannenden Charakter.

Als Alternative zu Metall wird auch gerne auf den Werkstoff Polyresin zurückgegriffen. Dabei handelt es sich um ein flüssiges Kunstharz, das auch allgemein hin als Alabstrite, Gussmarmor, Marmorit, Poly-Nature, oder Polystone bezeichnet wird.

02  Architektonische Details

Saubere Freiräume schaffen Klarheit und Ordnung in der Wohnung und mit einer disziplinierten Einrichtung bringen Sie Form und Funktion Ihres Zuhauses mühelos und unkompliziert zur Geltung.

Architektonische Details wie hohe Decken, verschiedene Fenster und offene Grundrisse sorgen für Raum, Licht und Luft, die eine klare und saubere Lebensweise fördern. Kleinere Details, wie z. B. flache Paneele in Ihren Schränken anstelle von Türgriffen, die das Auge ablenken und Unordnung schaffen können, präsentieren einen sauberen und neutralen, puristischen und dennoch praktischen Stil.

03  Ein Hauch von Luxus

Die Einbeziehung luxuriöser Details in Ihre Einrichtungsgestaltung ist ein wirkungsvolles Element in einem puristischen und minimalistischen Zuhause.

Symbolisiert durch hochwertige Materialien wie Marmor, Kupfer, Messing, Holz und Beton, verleihen luxuriöse Oberflächen in Ihrem Zuhause Charakter und Kontext und verbinden ein modernes Gefühl mit einem natürlichen Stil.

04  Zurückhaltende Farben

Skandinavisch inspirierte Innenräume sind bekannt für ihren Minimalismus, bei dem Weiß ein wichtiges Markenzeichen ist. In letzter Zeit hat diese Herangehensweise an die Innenarchitektur jedoch Farbe begrüßt, wenn auch meist gedeckte Farben wie Cremes, kühle Grautöne und Pastelltöne.

Das Hinzufügen von ein oder zwei lebendigen Akzentfarben zu Ihrem Raum kann den Ton und das Gefühl beeinflussen und zur leichten und luftigen Qualität eines puristischen Zuhauses beitragen, aber mit einem Hauch von Persönlichkeit.

05  Kontraste in Texturen und Formen

Textur und Form sind in puristischen und minimalistischen Designs von entscheidender Bedeutung, da sie einem Raum visuelle Bedeutung verleihen und die Innenräume auf die nächste Ebene heben.

Wenn Ihr Raum eine eher homogene Farbpalette hat, wird die Einführung unterschiedlicher Texturen und Formen für visuelles Interesse sorgen und gleichzeitig das Gleichgewicht in Ihrem Design wahren.

Eine weiße Küche mit klaren Linien und unaufdringlichem Design kann durch eine einzelne Backsteinwand erhöht werden und eine warme Atmosphäre schaffen, die ebenso ruhig wie einnehmend ist.

06  Lichtgestaltung

Der Lichtgestaltung kommt im Rahmen der puristischen Inneneinrichtung ebenfalls eine wichtige Rolle zu. Natürliches Licht soll so gut wie möglich ausgenutzt werden. Dezente Lichtquellen sorgen mit Einbruch der Dämmerung anschließend für eine atmosphärische Stimmung.

Oberste Regel ist hierbei, organisch geformte Lichtquellen in den Raum einzufügen. Leuchten aus Holz bieten sich ebenfalls an, da diese ein warmes Licht abgeben. Auch Lichtquellen mit Porzellan- oder Glasschirm passen gut.

Die natürlich Gemütlichkeit des Wabi-Sabi soll mit einer passenden Lichtgestaltung unterstrichen werden.

Wabi-Sabi Einrichtungsgestaltung – Inspirationen und Anregungen

01 Video-Tour

02 Pinterest Sammlung

(für die Anzeige des Pinterest Boards müssen Sie den Cookies zugestimmt haben)

Joachim Rodriguez y Romero

Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.

www.kunstplaza.de/