Wunderbarer, verrückter, verträumter, spielerischer (und geldgieriger) Dalí – er wird als Maler, Grafiker, Schriftsteller, Bildhauer und Bühnenbildner unvergessen bleiben, in mehrerer Hinsicht hat er als Künstler Unerhörtes gewagt und bewirkt. Der volle Name des Künstlers ist ähnlich variantenreich wie sein Werk: Dalí heißt “ausgeschrieben” Salvadore Felipe Jacinto Dalí i Domènech, Marqués de Púbol. Er wurde am 11. Mai 1904 im spanischen Figueres geboren, nahe Girona in Katalonien.
Dalís bürgerliche Herkunft als Sohn eines angesehenen Notars prädestinierte ihn eher weniger für seine zukünftigen Ausflüge in die Welten der Träume und der Räusche, der Fiberzustände und der Glaubenskrisen. Der spätere Freund des Unterbewussten bekam jedoch schon durch seine Geburt eine schwere Hypothek mit auf den Weg, indem er den Namen seines kurz zuvor verstorbenen Bruders erhielt.
Als Kind fürchtete er sich vor dem Grab des Bruders; sein ganzes Leben wollte er der Welt beweisen, dass er das Original sei. Der kleine Salvadore zeigte früh die ersten Eigenheiten, den Tagträumen und einer Neigung zu Unwahrheiten folgten veritable Wutausbrüche, als er die Liebe seiner Eltern ab dem vierten Lebensjahr mit einer Schwester teilen sollte.

von Roger Higgins, World Telegram Staff Fotograf, via Wikimedia Commons
Er lebte teilweise auf dem Dachboden des heimatlichen Hauses, wo er lebhafte Fantasien entwickelte und bereits als Sechsjähriger die ersten Bilder malte. Wenig später ließ er sich durch die impressionistische Malerei eines Nachbarn inspirieren, auch die Genremalerei des 19. Jahrhunderts nahm er bei seinen Malversuchen zum Vorbild. Neben dem Unterricht in einem privaten Gymnasium durfte Dalí dann endlich auch Zeichenkurse besuchen, bereits nach einem Jahr erkannte der Direktor der Kunstschule ihm ein Ehrendiplom zu.
Inzwischen war der Erste Weltkrieg ausgebrochen, dessen Eindrücke den vierzehnjährigen Dalí in eine Gruppe von Anarchisten führte, er wollte die marxistische Revolution und gründete 1921 mit Freunden eine sozialistische Gruppe. 1922 bestand Dalí sein Abitur und hatte zugleich seine erste Gruppenausstellung, nun begann er ein Studium an der Academia San Fernando in Madrid, wo er Malerei, Grafik und Bildhauerei studierte.
Bereits zu dieser Zeit entwickelte Dalí seinen exzentrischen Stil, er kleidete sich in Samt und bodenlange Umhänge und ward kaum mehr ohne den großen schwarzen Filzhut und den Stock mit vergoldetem Knauf gesehen. Dalí las die Werke seiner Akademie-Genossen García Lorca und Buñuel, lernte mit ihnen gemeinsam aber auch die Schriften Sigmund Freuds kennen, er ordnete die Psychoanalyse später als eine der wichtigsten Entdeckungen seines Lebens ein.
Dalís Malstil verselbstständigte sich nun Zusehens, was neben politischen Differenzen zu seinem Verweis von der Akademie führte, er blieb ohne Abschluss. Seine Bilder zeigen jetzt deutlich futuristische Tendenzen, mit kubistischen, aber auch pointillistischen Anklängen. Er versuchte sich Ende der 1920er Jahre auch an kunstkritischen Texten und als Bühnenbildner. Schon 1927 hatte er das erste Bild gemalt, das später als surrealistisch eingestuft wurde, um 1929 hatte er im Surrealismus seinen Stil für lange Zeit gefunden.
Dieses Jahr war das wohl entscheidende in seinem Leben: Er fand 1929 zu den Surrealisten, die sich in Paris zu einer Künstlergruppe zusammengeschlossen hatten. Er traf Hans Arp und Max Ernst, André Breton und Yves Tanguy, René Magritte und Man Ray und viele andere der bedeutenden zeitgenössischen Künstler. Darunter waren auch der Dichter Paul Éluard und seine Frau Gala, eine russische Immigrantin, in die sich Dalí unsterblich verliebte.
Gala konnte Dalís Leidenschaft nicht widerstehen, sie wurde seine Lebensgefährtin und sollte den sexuell eher verklemmten Künstler bis zu seinem Lebensende in erotischer Umklammerung halten. Dalís sexuelle Besessenheit war in seinen Bildern zu spüren, die Beziehung zu Gala veränderte den Künstler aber auch in anderer Weise: Gala sollte sein Leben in jeder Weise in die Hand nehmen, die Beziehung zu ihr führte zum Bruch mit Dalís Familie, 1934 zur Ehe und 1958 zur kirchlichen Heirat.

Foto von Manuel González Olaechea y Franco (CC BY 3.0), via Wikimedia Commons
Gala ersetzte ihm nun die Familie, sie wurde seine Muse und seine Managerin und sie veränderte sein Gemüt. Denn Gala soll dafür verantwortlich sein, dass der Narziss Dalí aus seinen Visionen auftauchte und sich der Realität zuwandte, damit wird Gala aber auch dafür die Verantwortung zugesprochen, dass Dalí die finanzielle Seite seines Schaffens immer wichtiger nahm.
In der Anfangszeit der Beziehung zu Gala malte der noch traumverlorene Dalí einige seiner wichtigsten Werke, z. B. “Die Beständigkeit der Erinnerung”, das allseits bekannte Werk mit den zerfließenden Uhren. Unter dem Einfluss Galas wurde Dalí jedoch ruhiger, er lehnte die akademische Malerei nicht mehr völlig ab, die sexuelle Neugier wurde durch Wertschätzung familiärer Werte abgelöst, in einem Bild überschritt er in Verteidigung Galas sogar humane Grenzen:
In seinem Bild “Das Rätsel Wilhelm Tells” stellt Dalí seinen Vater nach eigener Aussage als Kannibalen dar, um das gestörte Verhältnis zu seiner Familie zu verdeutlichen. Gala dagegen ist in einer Nuss zu Füßen der Vaterfigur verborgen und droht zertreten zu werden.
Diese Entwicklung Dalís führte zum Zerwürfnis mit den Surrealisten, das sich in der Debatte um das Tell-Bild vollendete. Auch wegen anderer Entäußerungen Dalís warf André Breton ihm 1934 in einem Brief vor, Antihumanist zu sein und das Neue im Phänomen Hitler zu verteidigen. Die Surrealisten verurteilten auch sein Plädoyer für die akademische Malerei in Abkehr zur Moderne und seine plötzliche Entdeckung familiärer Werte, in deren Folge er sogar eine väterliche Autorität zu verteidigen begann. Außerdem warf man ihm eine ultrabewusste Malerei und ein übermäßiges Streben nach Erfolg vor.
Wirklich lebte Dalí an der Seite Galas nach dem Bruch mit den Surrealisten ein zunehmend vom Geld bestimmtes Künstlerleben, mit Multimillionären als Mäzenen und Reisen durch die ganze Welt. Er stellte in berühmten Kunstmetropolen aus, hielt Vorträge und verfasste neben selbst entworfenen Werken auch erstmals Porträts von Berühmtheiten. Seine surrealistische Phase hatte Dalí im Jahr 1941 hinter sich gelassen, nun begann seine klassische Periode, in der er Motive der großen klassischen Meister zum Vorbild nahm. Der frühere Atheist kehrte nun auch wieder zum katholischen Glauben zurück und malte eine Reihe von Bildern, die religiöse Themen hatten.
Seit Dalí sich nicht mehr bei den Surrealisten aufgehoben fühlte, hat sein Werk viele Formen angenommen, er hat für Walt Disney gearbeitet und Schmuckentwürfe angefertigt, Bühnenbilder entworfen und bei Zeitschriften wie Vogue und Harper’s Bazaar mitgearbeitet. Er hat Parfüms und Modeaccessoires entwickelt, einen Roman geschrieben und eine Abhandlung zu seiner Maltechnik geschrieben, die den Titel “Fünfzig magische Geheimnisse” trägt. Er hat mehrere Bilder gemalt, um seinen Schock über den Abwurf der Atombombe über Hiroshima zu verarbeiten, hat aber auch Luxusausgaben von Büchern illustriert, Deckengemälde entworfen, stereoskopische Bilder und holografische Arbeiten geschaffen.
Die Liste seiner vielfältigen Tätigkeiten könnte noch endlos fortgesetzt werden, auf jeden Fall war Dalí bereits Anfang der 1960er Jahre so reich, dass er mit Gala ein Leben in Luxus führte und im eigenen Merchandising-Unternehmen mehrere Angestellte beschäftigte. Der Geschäftsführer von “Dalí Merchandising” brachte es ebenfalls zum Multimillionär.
In seiner Heimatstadt Figueres errichtete Dalí mit dem Umbau des alten Stadttheaters, in dem 1918 eine erste Ausstellung stattgefunden hatte, seinen eigenen Tempel. Alle Umbauarbeiten waren vom Architekt mit dem “Göttlichen” abzustimmen, wie sich Dalí inzwischen nannte, das 1974 eröffnete Dalí-Museum repräsentierte den Künstler recht gut: Die Eröffnung protzte mit tausend geladenen Gästen, die im ganzen Gebäude verteilten Werke beschränken sich nicht auf Gemälde. Der Besucher kann auch stereoskopische Fotografie, biegsame Metallkruzifixe, eine Großskulptur aus einer Surrealisten-Ausstellung, einen Saal als Environment von Dalís Mae-West-Gemälden und Werke befreundeter Künstler bewundern. Das gesamte Interieur wird durch Decken- und Wandgemälde vervollständigt, die von Dalí in klassischer Manier gemalt wurden.
Damit zeigt dieses ganze Museum Kunst und Karikatur, Kitsch und Kommerz in einer ebenso irritierenden wie auch prunkvollen Harmonie, wie sie auch Dalís Leben durchdrungen hatten. Der Künstler, der über sich und seine Künstlerfreunde aus dem “Goldenen Dreieck” sagte: “Man kann uns wenden wie man will, wir sind immer oben.”, starb 1989 nach langer Krankheit in seinem Heimatort.
Im folgenden Video sehen Sie eine Dokumentation über diesen außergewöhnlichen Künstler:
Zahlreiche seiner Werke und Fotos mit dem Künstler auf Pinterest
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