René François Ghislain Magritte – ein Künstler, dessen Bilder Menschen träumen lassen. Die Motive seiner Bilder werden deshalb auch vielfach als Wiedergaben von Hirngespinsten gedeutet. Seine Werke entstammen aber keineswegs einer Traumwelt, im Gegenteil, Magritte ganzes künstlerisches Schaffen war dem Ziel verpflichtet, die Wirklichkeit anschaulich darzustellen.
Der Belgier ist dabei kein exzentrischer Selbstdarsteller wie die Pariser Surrealisten, sondern ein sachlicher Ingenieur des Unmöglichen mit nur einer Absicht: die Grenze zwischen Fantasie und Wirklichkeit zu sprengen.
Er ist der surrealistische Außenseiter, der sich bewusst von den üblichen surrealistischen Techniken und Herangehensweisen abwendet. Sein Pinselstrich ist minimalistisch und frei von emotionalen Spuren oder persönlichen Dramen. Seine Bilder wirken wie didaktische Tafeln, die als Lehrmaterial für höhere Bildungseinrichtungen dienen könnten.
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Der Künstler selbst bezeichnet seine Malweise als banal und betont, dass er kein Künstler, sondern ein denkender Mensch ist, der seine Gedanken durch Malerei ausdrückt.
Magrittes Kunstwerke sind dennoch geprägt von einer unverwechselbaren Bildsprache, die den Betrachter in eine Welt voller Rätsel und Geheimnisse entführt. In diesem biographischen Beitrag erfahren Sie mehr über das Leben und die Werke von René Magritte und werden gleichzeitig in die faszinierende Welt des Surrealismus eintauchen.
Bedeutende Stationen im Leben von Magritte
- 1898: Magritte kam in Lessines (Belgien) zur Welt
- 1912: Seine Mutter wird ertrunken im Fluss Sambre aufgefunden
- 1915: Erstes Gemälde
- 1916-18: Er besucht die Académie Royale des Beaux Arts in Brüssel
- 1921-22: Wehrdienst
- 1922: Hochzeit mit Georgette Berger
- 1926: Beginn seiner Karriere als Vollzeitkünstler
- 1929: Er malt Ceci N’est Pas Une Pipe (Der Verrat der Bilder)
- 1944: Nach dem Zweiten Weltkrieg nimmt er seine Karriere als surrealistischer Künstler wieder auf
- 1964: Er malt sein legendäres Werk Le fils de l’homme (Der Menschensohn)
- 1967: Magritte verstirbt an Bauchspeicheldrüsenkrebs
Kindheit
René François Ghislain Magritte erblickte am 21. November das Licht der Welt in Lessines, einer Stadt in der wallonischen Provinz Hennegau in Belgien. Sein Vater, Léopold Magritte, war Schneider und Kaufmann, während seine Mutter, Régina Bertinchamps, vor ihrer Heirat als Hutmacherin arbeitete.
Kurz vor Renés Geburt zog das Ehepaar nach Lessines, wo Réginas verwitwete Mutter ebenfalls im gemeinsamen Haushalt lebte. René hatte zwei jüngere Brüder namens Raymond (geb. 1900) und Paul (geb. 1902).
Im Frühjahr 1904 zog die Familie nach Châtelet, einer Stadt in der Provinz Hennegau im wallonischen Teil Belgiens. Im Alter von zwölf Jahren begann René damit zu malen und zu zeichnen (1910). Einmal in der Woche besuchte er einen Kunstkurs. Bislang wurden drei Werke aus diesem Jahr gefunden.
Dank des geschäftlichen Erfolgs seines Vaters, der zu dieser Zeit im Speiseölhandel tätig war, konnte die Familie 1911 in ein größeres Haus ziehen, das nach ihren Plänen errichtet wurde. Renés Vater sah in ihm ein Wunderkind und hängte seine Werke im Korridor des Hauses auf, damit jeder Besucher sie bewundern konnte.
Frühes Trauma – Selbstmord der Mutter
Der belgische Maler entdeckte nicht sofort die Welt des Unwirklichen, der Kunstrichtung, die als Surrealismus bekannt wurde. Dabei hatte der schon in der Kindheit zeichnerisch begabte René durchaus Grund, sich früh in Traumwelten zu flüchten.
Als er 14 Jahre alt war, ertränkte sich seine Mutter selbst aus nie bekannt gewordenen Gründen. Der junge Magritte war Zeuge, als seine Mutter, nur mit einem weißen Nachthemd bekleidet, 17 Tage später aus dem Wasser gezogen wurde. Ihr Leichnam wurde einen Tag lang im Haus aufgebahrt.
Es ist möglich, dass die vielen Darstellungen von Frauen mit einem weißen Tuch über dem Kopf von diesem traumatischen Erlebnis inspiriert wurden. Der junge Magritte schwieg über den Verlust seiner Mutter und sprach nur einmal darüber mit seinem engen Freund Louis Scutenaire.
In diesem Moment empfand er jedoch einen „immensen Stolz“, der „bemitleidenswerte Mittelpunkt eines Dramas“ zu sein. Ab 1925 tauchten diese Erlebnisse in mehreren seiner Werke auf, darunter „Die Träumereien eines einsamen Spaziergängers“.
Der Vater floh in Folge dieses Ereignisses mit seinen drei Söhnen aus dem romantischen, von Natur umgebenen Städtchen Châtelet in die nahegelegene Industriestadt Charleroi.
Hier war das Leben härter, der ohnehin traumatisierte René verlor sich während seiner Gymnasialzeit in den literarischen Zauberwelten, die Edgar Allan Poe, Robert Louis Stevenson, Maurice Leblanc (Der Meisterdieb Arsène Lupin), Gaston Leroux (Das Phantom der Oper ist) und die Fantômas-Romane (Pierre Souvestre und Marcel Allain) bereithielten.
Studienzeit an der Académie des Beaux-Arts in Brüssel
Mit 15 entdeckte Magritte die abbildende Kunst wieder und die Weiblichkeit für sich, Georgette Berger war das Modell seiner ersten, noch impressionistisch geprägten Arbeiten. So entschloss er sich nach dem Abitur für das Kunststudium, das er ab 1916 an der Académie des Beaux-Arts in Brüssel absolvierte, in seiner Studienzeit zeigten seine Arbeiten bereits einen deutlich futuristischen Anklang, auch kubistische Einflüsse lassen sich ausmachen.
Zu Beginn seiner künstlerischen Laufbahn ließ sich Magritte von den Werken der Haager Schule inspirieren, insbesondere von den Malern Jacob Maris und Pierre Paulus. Obwohl er sich das Studium an der Akademie nur gelegentlich leisten konnte, erinnerte er sich später daran, dass er dort von Emile Vandamme-Sylva das Zeichnen sowie Perspektive und Anatomie erlernte. Seine Ölgemälde aus dem Jahr 1917 spiegeln die postimpressionistischen Einflüsse von Pierre Bonnard wider.
1919 beendete Magritte sein Kunststudium, heiratete Georgette Berger und war zunächst gezwungen, den Lebensunterhalt der jungen Familie durch das Zeichnen von Tapetenmustern in einer Fabrik, als Plakatmaler und als Werbezeichner zu verdienen.
Im Jahr 1919 wurde auch das Kunstzentrum „Le Centre d’Art“ von Victor Bourgeois und Aimé Declercq ins Leben gerufen. Pierre Bourgeois, der jüngere Bruder des Architekten, war ein Studienkollege von Magritte und ein leidenschaftlicher Modernist.
Es wird behauptet, dass Pierre Bourgeois Magritte auf den Futurismus aufmerksam machte. Magritte präsentierte seine Werke auf der Eröffnungsausstellung des Kunstzentrums.
Frühwerk und erste Erfolge als Künstler
Im Januar 1920 kreuzten sich die Wege des Künstlers René Magritte und des späteren Kunsthändlers und Künstlers E.L.T. Mesens auf einer Gruppenausstellung. Mesens, der sich Ende 1921 dem Dadaismus zuwandte und nach Paris übersiedelte, wurde von Eric Satie in die Avantgarde eingeführt.
Er führte Magritte in die dadaistische Bewegung ein und überredete seinen Vater, ihn als Klavierlehrer für seinen Bruder Paul zu engagieren. Mesens engagierte Magritte schließlich 1925 als Mitarbeiter der Zeitschrift „Œsophage“ und ein Jahr darauf für die kritische surrealistische Kunstzeitschrift „Marie“.
Im Oktober 1920 besuchte René Magritte den Kongress der modernen Kunst in Antwerpen, welcher von Jozef Peeters und Huib Hoste organisiert wurde. Während seines Besuchs im Königlichen Museum stieß er auf ein Triptychon des veristischen Malers Eugène Laermans von 1896, welches ihn derart begeisterte, dass er zumindest theoretisch dem Modernismus abschwor.
Zum Ende des Jahres konnte Magritte seine Werke erstmals auf einer internationalen Ausstellung in Genf präsentieren, darunter auch sein Werk „Frauen und Blumen“.
Tapeten, Muster und Werbegrafik
Anfang 1922 begann René Magritte, der zu dieser Zeit bereits verlobt war, als Musterzeichner in einer Tapetenfabrik in Haren zu arbeiten. Die Fabrik, die von Peters Lacroix als eine der führenden Firmen Belgiens bezeichnet wurde, beschäftigte Magritte vermutlich für zwei Jahre. Im Juni 1922 heiratete er Georgette Berger in der Marienkirche von Schaerbeek.
Leider kam es schon früh zu einer Fehlgeburt, was Magritte dazu veranlasste, auf Kinder zu verzichten, um die Gesundheit seiner Frau zu schützen. Während dieser Zeit malte Magritte einige Akte, die von Fernand Léger beeinflusst waren. Diese komplexen Kompositionen zeichneten sich durch starke, fließende Rhythmen aus.
Im Jahr 1923 plante Magritte gemeinsam mit Victor Servranckx die Publikation „L’Art pur: Défense de l’estétique“ beim Verlag Editions Ça ira in Antwerpen. Er nahm auch an der internationalen Ausstellung des Verlags teil, bei der Künstler wie Alexander Rodtschenko, El Lissitzky, Lyonel Feininger und László Moholy-Nagy ausstellten.
Im Januar 1923 stellte Magritte auch in der Galerie Georges Giroux in Brüssel aus, zusammen mit Flouquet, Servranckx, Peeters und Paul Delvaux. In diesem Jahr malte er seine abstraktesten Bilder und begann als Plakat- und Werbezeichner zu arbeiten. Schließlich verkaufte er sein erstes Bild, ein Porträt der Sängerin Evelyne Brélia.
Magritte und der Surrealismus
1923 beschloss Magritte, beflügelt durch seinen ersten Verkaufserfolg, von nun an “die Gegenstände nur noch mit ihren augenfälligen Details zu malen“. Obwohl der Verkauf des Portraits einer bekannten Sängerin ihm neues künstlerisches Selbstbewusstsein gegeben hatte, vergingen noch einige Jahre, bis er 1926 eine Vereinbarung mit der Brüssler Galerie „Le Centaure“ abschließen konnte, die von nun an das tägliche Auskommen sicherte.
Magritte konnte sich nun endlich nur auf seine Kunst konzentrieren, die mit dem Werk “Der verlorene Jockey” jetzt die ersten surrealistischen Züge bekam.
Im Sommer oder Herbst des Jahres 1923 wandte sich René Magritte endgültig dem Surrealismus zu, nachdem er durch die Entdeckung von Giorgio de Chiricos Werk „Liebeslied“ (1914) eine Offenbarung erfahren hatte. Obwohl das genaue Datum nicht bekannt ist, ist der Einfluss des griechisch-italienischen Malers erst 1925 in Magrittes Werken zu erkennen. Neben de Chirico waren auch George Grosz und Carlo Carrà wichtige Inspirationsquellen für den belgischen Künstler.
Im Frühjahr 1924 gab René Magritte seinen Job als Tapetenentwerfer auf und wurde Werbegrafiker, wobei er bis 1929 hauptsächlich für die Haute Couture und Notenblätter arbeitete. In den Jahren 1924 und 1925 malte Magritte nur etwa 15 Bilder und verdiente kaum Geld.
Mit „Der weiße Mann“, einem Porträt von Marcel Lecomte, das im Frühjahr 1925 entstand, gab Magritte die Stilisierung und Vereinfachung seiner frühen Werke auf. Dabei orientierte er sich an André Derains „Le chevalier X“ (1914, erster Zustand) und setzte sich auch in „Das Fenster“ (Frühjahr/Sommer 1925) mit Max Ernst auseinander.
Im November 1925 fand die erste Gruppenausstellung „La Peinture surréaliste [Surrealistische Malerei]“ in der Galerie Pierre in Paris statt, bei der Magritte seine ersten surrealistischen Bilder präsentierte. Er beschloss, die Gegenstände nur noch mit ihren augenfälligen Details zu malen. Im selben Monat schuf er auch die Szenenbilder für zwei Einakter: „Glaube“ von Herwarth Walden und „Rien qu’un homme“ von Paul Deauville – sein einziger Ausflug in die Theaterwelt.
René Magritte unterzeichnete einen exklusiven Vertrag mit Paul-Gustave Van Hecke, einem belgischen Journalisten, Autor und Kunstliebhaber. In der Zeit von Januar 1926 bis September 1927 schuf Magritte fast 100 Gemälde. Im Oktober 1926 eröffnete Walter Schwarzenberg die Galerie „Le Centaure“ in Brüssel und erwarb die Hälfte von Van Heckes Vertrag mit Magritte.
Dank Schwarzenbergs Unterstützung erlebte Magritte eine der produktivsten Phasen seiner Karriere. Unter diesen Bedingungen ließ auch die Anerkennung nicht mehr auf sich warten, “Le Centaure” veranstaltete 1927 eine erste Ausstellung nur mit seinen Bildern.
Magritte und die Pariser Surrealisten um André Breton
Magritte zog es jetzt nach Paris, in das Zentrum der surrealistischen Kunst. Er zeigte sich begeistert von der metaphysischen Malerei des Giorgio de Chirico, der auch andere bedeutende Surrealisten inspiriert hatte, und lernte ebensolche Surrealisten wie André Breton und Paul Éluard auch persönlich kennen.
Die Pariser Surrealisten, die sich um den Schriftsteller André Breton in der französischen Hauptstadt versammelt haben, waren nicht gerade begeistert von dem Belgier. Als er im September 1927 in ihrem Kreis auftaucht, um Gleichgesinnte kennenzulernen, wird der subversive Künstler in bürgerlicher Kleidung von den Revolutionären skeptisch empfangen.
Obwohl Magrittes kalkulierte Bildwelten das surrealistische Prinzip erfüllen, verschiedene Realitäten in einem Kunstwerk zu vereinen, passen sie nicht wirklich zu der zufälligen Technik des „Automatismus“, die das Unbewusste offenbaren soll und von den meisten Künstlern der Gruppe bevorzugt wird (Magritte wird ihn später als „sehr wirkungslos“ bezeichnen).
In Bretons Artikelserie „Der Surrealismus und die Malerei“ wird der Belgier mit keinem Wort erwähnt. Im Dezember 1929 kommt es zu einem Eklat, als Magrittes katholische Frau Georgette auf einer Party bei dem Schriftsteller mit einem goldenen Kreuz um den Hals erscheint: Breton fordert sie auf, „diesen Gegenstand“ zu entfernen. Daraufhin verlässt Magritte mit Georgette die Party – und ein halbes Jahr später auch die Stadt.
Erst Jahre später, als der revolutionäre Furor der Surrealisten etwas abgeklungen ist und der „Automatismus“ nicht mehr ihr bevorzugter Weg zur Bildfindung ist, versöhnt sich Magritte mit den Kunst-Jakobinern und zeigt seine Werke auf Gruppenausstellungen in London, Paris und New York, wie in der GEO EPOCHE: „René Magritte – Meister der Täuschung“ berichtet wurde.
Rückkehr nach Brüssel
Nicht als erster Künstler verstritt er sich heftig mit André Breton und ging deshalb 1930 zurück nach Brüssel, in dieser Zeit wuchs der Kreis seiner Künstlerfreunde. Bekannt ist z. B. ein enger Kontakt Magritte zu Hans Arp, Joan Miró und Salvador Dalí.
Nach seiner Rückkehr nach Brüssel richtete sich Magritte in einer Parterrewohnung ein, die für die nächsten 24 Jahre sein Zuhause sein würde. Die Wohnung war gefüllt mit Antiquitäten aus Warenhäusern und hatte ein Esszimmer, in dem er malte, sowie einen kleinen Garten, in dem er Sellerie und Zwiebeln anbaute.
Magritte entwickelte sich in der folgenden Zeit zu einem der führenden Köpfe der Surrealismus, 1938 war er auf der Exposition Internationale du Surréalisme (Galerie Beaux-Arts, Paris) gleich mit mehreren Werken vertreten. Nebenbei entwickelte er sich in andere Richtungen weiter, er drehte Kurzfilme und trat in die Kommunistische Partei Belgiens ein und aus, hielt Vorträge über seine Arbeit und arbeitete ab 1930 für mehrere Publikationen.
Obwohl Magritte allmählich Erfolg hatte – mit seiner ersten Einzelausstellung in New York 1936, gefolgt von Ausstellungen in Paris, Rom und großen Retrospektiven in Brüssel und New York – blieb er seiner belgischen Heimat treu und reiste kaum.
Seine Werke wurden von amerikanischen Kunststars wie Jasper Johns, Robert Rauschenberg und Roy Lichtenstein gekauft und seine Ideen wurden von zahlreichen Werbegrafikern aufgegriffen. Zudem wurden seine Denk-Spiele als Poster in Kaufhäusern auf der ganzen Welt verkauft.
Magischer Realismus – Der unverwechselbare Stil von Magritte
Im Kreis der Surrealisten nahm Magritte zunehmend eine Sonderstellung ein, weil er eine ganz eigene Herangehensweise und einen ganz eigenen Stil entwickelt hatte, seinen “magischen Realismus”. Er malte Gegenstände des Alltags, wobei er sich an immer die gleichen Objekte hielt, Magritte-Bewunderern vertraut sind die Pfeife und der Apfel, der Vorhang und der Bowlerhut, die Taube und der blaue Himmel, die Handschellen und die Löwen, die Eier und die Fesselballons und die Menschen mit dem Tuch über dem Kopf.
Diese Details sind nicht zufällig gewählt, sondern beziehen sich meist auf einschneidende Kindheitserlebnisse. Sie werden bis in die kleinste Feinheit naturalistisch abgebildet, aber in einer solch irrealen Art verfremdet und wieder zusammengesetzt, dass bei jedem aufmerksamen Betrachter der Surrealismus die Aufgabe erfüllt, die Magritte ihm zugedacht hatte: Die traditionellen Denkmuster und Sehgewohnheiten werden gründlich aufgerüttelt, der Erfahrungshorizont wird überschritten, die Wirklichkeit zeigt sich von ihrer unwirklichen Seite.
Trotz seiner kritischen Distanz zur Kirche und der profanen Gegenstände, die er in seinen Werken verwendet, scheint Magritte von der Wiederkehr des Verdrängten eingeholt zu werden, wie sie von dem surrealistischen Stichwortgeber Sigmund Freud postuliert wird.
Die bewusste Ausdruckslosigkeit seiner Malerei und seines Alltags kann jedoch als Demut gelesen werden, die einem höheren Zweck dient – dem Geheimnis, das hinter den Dingen verborgen ist. Magritte nennt es das „Mysterium“.
Das „Mysterium“ ist Magrittes heiliger Gral: ein ungreifbares Faszinosum, das in seinem Sprachgebrauch so viel wie die Poesie eines Gegenstands, den Schock des Erkennens oder die unsichtbare Verwandtschaft der Dinge bedeuten kann. Magrittes „Mysterium“ ist nicht im Jenseits oder in der Transzendenz zu finden, sondern in den profanen Gegenständen des Alltags.
„Denn alles in unserem Leben“, sagt Magritte, „ist Mysterium.“
Wie ein Mönch, der täglich den Rosenkranz betet, nähert sich Magritte diesem Mysterium durch beständige Übung und Wiederholung.
Période Renoir und der Flirt mit dem Impressionismus
Während der Zeit des 2. Weltkriegs wurde dieser Stil unterbrochen durch einen kurzen Flirt mit dem Impressionismus, der seinen Grund auch in der begründeten Angst vor Razzien und Angriffen der Nationalsozialisten haben soll, die seine Bilder als “entartete Kunst” einstuften.
Es entstanden heitere Bilder im Stil des bekannten Impressionisten Pierre-Auguste Renoir, Magritte äußerte sich beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Belgien dazu wie folgt:
„Die deutsche Besetzung bezeichnete den Wendepunkt in meiner Kunst. Vor dem Krieg drückten meine Bilder Angst aus, die Erfahrung des Krieges hat mich gelehrt, dass es in der Kunst darauf ankommt, Bezauberung auszudrücken. Ich lebe in einer unangenehmen Welt, und meine Arbeit ist als Gegenangriff gedacht.“
Période Vache – Die Kuhperiode
Dieser Gegenangriff formte sich nach der “période renoir” in der “période vache” noch mutwilliger, die Bilder dieser “Kuhperiode” waren sehr bunt und auch durchaus grobschlächtig.
Wohl auch zu grobschlächtig für Magritte, der bald wieder zu seinem surrealistischen Stil zurückkehrte. Die Bilder seiner späten Phase waren beeindruckend geheimnisvoll, bewegt und sinnlich, sie zeigen viele neue raffinierte Blautöne und eine verfeinerte Maltechnik.
Die Bilder der “Kuh-Periode” zeichneten sich durch leuchtende Farben und geschlossene Umrisslinien aus und stellen einen deutlichen Bruch zu seinen vorherigen Arbeiten dar. Der Disput mit den bekannten Surrealisten Paul Éluard und André Breton führte zu dieser radikalen Veränderung in Magrittes Kunst.
Die Ablehnung seiner früheren Werke veranlasste ihn dazu, neue Wege einzuschlagen und ein völlig neues künstlerisches Konzept zu entwickeln. In diesen “wilden” Bildern findet man Elemente wie Komik, Ironie sowie karikaturhafte Figuren und offene Darstellungen von Sexualität.
René Magrittes “Kuh-Periode” kann als Wendepunkt in seinem künstlerischen Schaffen betrachtet werden – eine Phase voller Innovationen, Provokation und Rebellion gegenüber dem etablierten Kunstbetrieb.
Durch diese Befreiung kehrte Magritte jedoch auch wieder zurück zu seinem feinen und naturalistischen Malstil der 1920er und 1930er Jahre. Seine neuen Gemälde waren zwar provokant, aber gleichzeitig spiegelten sie auch seine Rückkehr zur klassischeren Form des Realismus wider.
Rebellion gegen den Pariser Surrealismus und das Reich der Lichter
Die Surrealismus-Ausstellung von 1947 in Paris markierte eine Art Wiederauferstehungsbewegung für diese Kunstrichtung in Europa. Jedoch wurden Magrittes Werke bedauerlicherweise nur dem retrospektiven Teil zugeordnet – ein Umstand, der bei ihm tiefe Irritation hervorrief.
Frustration und Enttäuschung waren die treibenden Kräfte hinter Magrittes Entscheidung, seine Werke in einer anderen Galerie auszustellen. Schnell schuf er eine Serie von provokanten Gemälden, mit denen er den Pariser Surrealismus schockieren wollte.
Unterstützt wurde er dabei vom Dichter Louis Soutenaire, der auch die Titel für viele dieser Bilder lieferte. Die Zusammenarbeit zwischen Magritte und Soutenaire führte zu einer bemerkenswerten Synergie zwischen Wort und Bild. Magritte ließ sich bei seiner Kunst von verschiedenen Einflüssen inspirieren – darunter Comiczeichner sowie Künstler des Fauvismus wie Henri Matisse.
Im Jahr 1947 begann René Magritte auch möglicherweise eine der berühmtesten Serien in seinem Werk, die seine bisherigen pastellfarbenen und leichten Werke abgelöst hat. Diese Serie umfasste insgesamt 17 Ölgemälde und 10 Gouachen mit dem Titel „Das Reich der Lichter“.
In diesen Kunstwerken vereint Magritte auf faszinierende Weise eine nächtliche Häuserfront mit einer brennenden Laterne und einem strahlend hellen Wolkenhimmel. Die Bilder dieser Serie haben etwas Lyrisches, Nostalgisches und vor allem Ruhiges an sich. Sie erinnern den Betrachter an vergangene Zeiten und vermitteln gleichzeitig ein Gefühl von Frieden und Harmonie.
Mit ihrem subtilen Bildwitz knüpfen sie zudem direkt an Magrittes frühere Arbeiten vor dem Krieg an. In einem Vortrag in London enthüllte Magritte seine surreale Technik hinter diesen beeindruckenden Gemälden. Er zitierte dabei eine Zeile aus André Bretons Gedicht „L’Aigrette“:
Wenn nur die Sonne heute Nacht schiene“.
Jahre später setzte er diese Zeile buchstäblich in seinen Bildern um, was auch heute noch für Staunen sorgt. Magrittes Fähigkeit, surreale Elemente zu nutzen, um poetische Welten zu erschaffen, war bemerkenswert. Durch das Zusammenführen verschiedener Realitätsfragmente gelang es ihm nicht nur, ungewöhnliche visuelle Konstellationen zu schaffen, sondern auch tiefe emotionale Resonanzen beim Betrachter hervorzurufen.
Die Serie “Das Reich der Lichter” ist ein herausragendes Beispiel für Magrittes Meisterschaft in der surrealistischen Kunst und seine Fähigkeit, die Grenzen des Vorstellbaren zu erweitern. Die Bilder dieser Serie strahlen eine besondere Atmosphäre aus – sie wirken gleichzeitig vertraut und doch mysteriös.
Sie laden den Betrachter dazu ein, in ihre Welt einzutauchen und sich von ihrer Poesie und ihrem Zauber gefangen nehmen zu lassen.
Magrittes Spätwerk
Ab 1953 entstanden seine letzten großen Werke, Wandmalereien aus acht Bildern für ein Casino.
Die restlichen fast anderthalb Jahrzehnte bis zu seinem überraschenden Tod am 15. August 1967 stellte Magritte zwar vielfach aus, wie 1959 auf der documenta II und gewann Preise, wie 1956 für Belgien den Guggenheim-Preis, ließ jedoch die eigene Produktion ruhiger angehen.
Die phantasiebegabten Menschen unter uns lassen sich durch seine Bilder nach wie vor gerne zum Nachdenken anregen; und auf nicht wenige Künstler hat Magrittes Werk einen wichtigen Einfluss ausgeübt, z. B. auf die Künstler der Pop Art und viele Konzeptkünstler.
Das nachfolgende 5-minütige Video zeigt einige seiner bekanntesten Werke:
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.