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Art-o-Gramm – Konkrete Poesie: Die alte und die neue Wortwörterspielkunst für Sprach-Nerds

Lina Sahne
Lina Sahne
Lina Sahne
Mo., 5. Februar 2024, 11:00 CET

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Im Artikel über den Künstler Dieter Roth, für den Sprach-Jonglage wichtiger Teil des Kunstschaffens war, wurde die Kunst- und Literaturgattung „Konkrete Poesie“ erwähnt.

Zeit und Anlass, sich näher mit dem zu beschäftigen, was die konkreten Poetiker in einer Art Gradwanderung zwischen Kunst und Literatur hervorbrachten – auch, weil „Konkrete Poesie“ als Gegenpol zu sprachlicher Reizüberflutung gesetzt werden kann, für unsere Gegenwart und Zukunft sicher nicht uninteressant:

Sinnloses Spiel mit der Dichtkunst?

Konkrete Poesie ist Dichtung in ihrer wahrscheinlich konkretesten Form: Nicht das Wort als Symbol und Sinnträger wird in der Absicht verarbeitet, ein Werk von künstlerischem Wert vorzulegen, sondern die Sprache selbst wird zum „Star der Aufführung“.

Konkrete Poesie
Konkrete Poesie

Der konkrete Poet ergötzt sich nicht am besonders gelungenen Sinnbild, das er durch Reihung Wort werdender Wörter erschafft, sondern geht ganz direkt an das Konstrukt „Sprache“ heran.

  • Sinnloses Spiel mit der Dichtkunst?
  • Worte werden als Wörter niedergeschrieben?
  • Tiefergreifende Gesänge
  • Schwirrendes Lebensgefühl in 20 Worten
    • So Eugen Gomringers Gedicht „avenidas“.
  • Untergang der freien Demokratie in 29 Zeilen
  • Bedrohung der Demokratie durch eben diesen Terror und durch eben diese Rechtspopulisten.
  • earthearthearthearthearthearth
  • Untergang der Konkreten Poesie in der Werbung
  • Die Zukunft: Mehr Konkrete Poesie für Alle!
    • Nur Fantasie braucht es, für die unendlichen Möglichkeiten:

Sprache entsteht aus Worten, Worte werden als Wörter niedergeschrieben, Wörter werden aus Buchstaben zusammengesetzt, Buchstaben bestehen aus immer wieder anders miteinander kombinierten Linien.

Worte werden als Wörter niedergeschrieben?

Ja, und damit wären wir schon mitten im „Handwerk“ der Konkreten Poesie, für die die Unterscheidung von Worten und Wörtern essentiell ist.

Alle Worte sind Wörter, aber nicht alle Wörter Worte, oder wie es die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung erklärt:

„Von dem Wort Wort gibt es zwei Plurale: die Wörter und die Worte. Es ist dies ein Reichtum unserer Sprache. Ein Vergleich mit unseren Nachbarsprachen zeigt es zusätzlich: sie haben da nur einen Plural, also etwa englisch, niederländisch, französisch, italienisch, spanisch, portugiesisch: words, worden, mots, parole, palabras, palavras. Dieser Reichtum sollte bewahrt werden – durch die Respektierung des inhaltlichen Unterschieds zwischen den beiden Pluralformen.

Die Wörter – das sind die Wörter, wie sie im Wörterbuch stehen, im Lexikon und zwar nicht nur in dem, das ein Lexikograph, ein Wörterbuchschreiber, gemacht hat, sondern auch in dem inneren Lexikon, das wir, wie unsere Sprache überhaupt, im Gehirn (wo sonst?) mit uns herumtragen.

Wie immer dies innere Lexikon angelegt ist, wie immer es ‚arbeitet’, wie immer aus ihm beim Sprechen und Verstehen die Wörter ‚abgerufen’ werden – es muss ein solches Lexikon geben, auch wenn es, soviel ist jedenfalls sicher, nicht alphabetisch angeordnet ist. Die mehr oder weniger sorgfältig gearbeiteten Lexika der Lexikographen, die wir deutsch also zu Recht „Wörterbücher“ und nicht „Wortebücher“ nennen, suchen, dieses innere Wörterbuch abzubilden.

Zwischenbemerkung: die Sprachwissenschaft unterscheidet Lexikographen, Wörterbuchmacher also, von Lexikologen, die innerhalb der Sprachwissenschaft Spezialisten für die Wörter, das Lexikon, sind und sich also etwa von den Grammatikern unterscheiden. Natürlich sollte ein Sprachwissenschaftler beides sein: Lexikologe und Grammatiker.

Worte im Unterschied zu Wörtern sind kurze Sätze, Aussprüche, denen die Tradition oder einfach der sich auf sie Berufende eine gewisse Bedeutung zumisst. Dergleichen meinen wir, wenn wir sagen, ‚das ist ein Wort von Jesus’ oder ‚ein Jesuswort’‚ oder ‚Thomas Mann zitiert da ein Wort von Goethe’ oder ‚dies meint das bekannte Wort von Brecht…’ oder ‚dazu gibt es ein schönes Wort von Shakespeare’.“

Das war der Anfang der Erklärung, der Unterschied wird rund 30 weitere Sätze lang beleuchtet, nachzulesen unter:  deutscheakademie.de/.

Das lässt sich knapper und einleuchtender ausdrücken, wie z. B. im Magazin Spiegel, Zwiebelfisch-Abc: Worte/Wörter (spiegel.de):

Wörter bestehen aus Buchstaben, Worte bestehen aus Gedanken.

Die Konkrete Poesie interessiert sich für Wörter und Buchstaben und Satzzeichen, ganz konkret für deren grafische Gestalt; sie ist der eigentliche Gegenstand des Gedichts.

Mit dieser grafischen Gestalt kann man eine Menge anfangen, zum Beispiel mit wenigen Wörtern ein Gewitter beschreiben:

             wolke     wolke
wolkewolkewolkewolke
wolkewolkewolkewolke
wolkewolkewolkewolke
wolke     wolke
B        B
L          Lb
I         I  l  i  t z
T           T   i
Z         Z     tz

Um die Worte und ihren Sinn machen sich die Konkret-Poeten nur ganz selten Gedanken, und wenn, dann sind auch diese Gedanken oft ausgesprochen konkret.

So kann es zum Beispiel darum gehen, die Zeilenabstände zwischen zwei oder mehreren Reihen „poetischer Zeichen“ in einer Art und Weise auszutarieren, dass optische Vollkommenheit in Druck und Vortrag erreicht werden.

Womit wir direkt bei einem der wichtigsten Kunstwerke der Konkreten Poesie angekommen sind (das sehr viele Menschen kennen, nur nicht in dieser Zuordnung):

Tiefergreifende Gesänge

Das Meisterstück der Nicht-Wort-Gedichte hat der König der wirklich nur sehr vordergründig sinnlosen Dichtkunst verfasst:
„Fisches Nachtgesang“ von Christian Morgenstern, auch als “tiefstes deutsches Gedicht” bekannt.

„Fisches Nachtgesang“ hat viele, viele Vortragskünstler beschäftigt und einige von ihnen zur Verzweiflung gebracht; nichts als Striche und Bögen aufzusagen, bedarf hoher Kunst, Kreativität, Flexibilität.

Beispiele der Rezitation des tiefsten deutschen Gedichts gibt es zur Genüge zu betrachten:

1. Ein Vorschlag zum korrekten Vortrag in der Schule, vermutlich von einem arbeitseifrigen Pädagogen:

2. Wie man mehr daraus macht, zeigte Burgschauspieler Hans Dieter Knebel 2005 am Wiener Burgtheater:

https://www.youtube.com/watch?v=hE9UU_vHEZc

3. „Fisches Nachtgesang“ als sphärenmusisch hinterlegte Schwarz-Weiß-Performance:

4. Opulente Nachtgesänge für Synästhetiker:

5. Ganz großes Orchester für eine nicht singende Fischin:

6. Fisches Nachtgesang 2004 live in Hangö, der südlichsten Stadt Finnlands:

7. Der von AeffchenYoko animierte Fisch singt:

8. Von Dipl.-Ing. Martin Evanzin (Institut für Sensor- und Aktuatorsysteme, Technische Universität Wien) vertont, vom Unichor der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf vorgetragen:

9. Dieses Video stellt Urheber AntiAnonym ohne weitere Bearbeitung ins Internet. Zitat AntiAnonym: „Nehmt es einfach so hin wie es ist und sucht nicht nach dem tieferen Sinn … Ich hab ihn nicht gefunden, also werdet ihr es auch nicht.“:

10. „Fisches Nachtgesang“ als Kammermusik:

11. Dirtysanchez/ickemaAnders konnte sich mit dem Originaltext nicht anfreunden:

12. Fein geflöteter Nachtgesang beim Vorspielabend mit Schülerinnen der MS Carlzeller:

Das unbedingt sehenswerte Original, „Christian Morgenstern: Morgenstern am Abend. Gert Fröbe rezitiert Christian Morgenstern“, gibt es leider nur auf einer käuflichen CD … Als Trost können Sie Gert Fröbe beim optisch wunderschön unterlegten Vortrag von Morgensterns Windgespräch lauschen:

Schwirrendes Lebensgefühl in 20 Worten

Wenn ein Gedicht der Konkreten Poesie einen über visuelle Wahrnehmung hinaus gehenden Sinn und Zweck hat (über Sprache zu vermittelnden Inhalt, von der Schilderung eines Stimmungsbilds bis zur Aufforderung), wird dieser oft gerade durch die Verknappung der Mittel überraschend präzise und doch vollumfassend dargestellt.

So Eugen Gomringers Gedicht „avenidas“.

Eugen Gomringer war der Schriftsteller unter einer Reihe von Künstlern (z. B. Maler, Architekt und Bildhauer Theo van Doesburg, Ingenieur und Komponist Pierre Schaeffer), die sich Mitte des 20. Jahrhunderts um die Idee einer „Konkreten Kunst“ bemühten, die die Elemente des Kunstschaffens und der jeweiligen Art der Darstellung als eigene Realität begriffen und aus dem Kontext des fertigen Werks herauslösen wollten.

Gomringers Manifest „vom vers zur konstellation. zweck und form einer neuen dichtung“ (1954 in der „Neuen Zürcher Zeitung“ und später in mehreren überarbeiteten Druckfassungen erschienen) wurde zum Gründungsmanifest der konkreten Dichtung, kurz nachdem der Künstler, Kunsttheoretiker und Schriftsteller Öyvind Fahlström mit dem Werk „Hätila ragulpr på fåtskliaben: manifest för konkret poesi“ den Begriff „Konkrete Poesie“ geprägt hatte (hier im nordwestlichen Raum, in Brasilien entstand zeitgleich eine Bewegung der Konkreten Kunst und Poesie).

„avenidas“ gewann den Alice Salomon Poetik Preis 2011 und wurde von Gomringer der preisstiftenden Alice Salomon Hochschule Berlin (Fachhochschule für Soziale Arbeit, Gesundheit, Erziehung und Bildung) für die Gestaltung der Hochschul-Außenmauer überlassen.

So sieht das heute aus: idw-online.de/de/newsimage?id=154590&size=screen, schöner und vor allem kürzer, verdichteter hat bisher kaum ein admirador (Bewunderer) das verführerische urbane Sommer-Lebensgefühl rund um die avenidas (Straßen), flores (Blumen) und mujeres (Frauen) skizziert …

Untergang der freien Demokratie in 29 Zeilen

Der „Konkreten Poesie“ wird gelegentlich politische Indifferenz vorgeworfen, weil Dichtkunst auch immer die Aufgabe habe, auf die sozialen Missstände in einer Gesellschaft aufmerksam zu machen.

Das ist sicher wahr, aber die Konkrete Poesie kann auch in dieser Hinsicht gut mithalten – die „Verkürzung auf Grafik“ kann Aussagen sogar besonders böse klar werden lassen, wie in der „Freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ von Grafik-Designer und Fotografie-Künstler Wolfgang Lauter (1978):

Wolfgang Lauter: Freiheitlich-demokratische Grundordnung, 1978, Siebdruck, 57 cm x 79 cm, signiert und nummeriert, Auflage 150. Abgedruckt im Magazin »Der Spiegel« Nr. 52 / 1977.
Wolfgang Lauter: Freiheitlich-demokratische Grundordnung, 1978, Siebdruck, 57 cm x 79 cm, signiert und nummeriert, Auflage 150. Abgedruckt im Magazin »Der Spiegel« Nr. 52 / 1977.
Wolfgang Lauter, via Wikimedia Commons

Fast vier Jahrzehnte alt, und doch gerade wieder brandaktuell. Erleben wir doch gerade wieder Zeiten terroristischer Bedrohung, in denen die (Sicherheit verheißende) Ordnung mancherorts die Freiheit und die Demokratie zu verschlingen droht.

Ein einziges Blatt Papier, nur 29 Zeilen dauert es, bis die Ordnung die Freiheit und die Demokratie aufgefressen hat. Und doch werden in der von Lauter meisterhaft inszenierten, Zeile für Zeile in ebenso kleinen Schritten wie unaufhaltsam fortschreitenden Vernichtung der wichtigsten Grundwerte friedlicher Gesellschaften alle Gefahren benannt, die das Übergewicht von „Ordnung und Sicherheit“ gegenüber „Freiheit und Demokratie“ mit sich bringt:

Bedrohung der individuellen Freiheit des Einzelnen durch das erhöhte Maß an Ordnung, das der Gegenwehr des Terrors geschuldet sei – wobei Regierende mit diktatorischen Anflügen diese „Notwendigkeit, Ordnung zu schaffen“ regelmäßig dazu ausnutzen, die Freiheit ihrer Bürger hemmungslos und exzessiv einzuschränken.

Bedrohung der Freiheit ganzer Gesellschaften, weil ängstliche und erschreckte Kleingeister immer dazu tendieren, Rechtspopulisten oder anderen Polit-Egoisten mit einfachen Antworten nachzulaufen. Die in ihrer Sehnsucht nach Macht gewöhnlich dummdreist agieren, mit der Komplexität der Welt erst recht nicht klarkommen, mindestens alles noch schlimmer machen und spätestens im Fall des Machterhalts lange verhandelte und gewachsene Gleichgewichtsstrukturen zerstören.

Bedrohung der Demokratie durch eben diesen Terror und durch eben diese Rechtspopulisten.

Bedrohung der Kreativen in der Gesellschaft durch die gleichmacherische Wirkung der Ordnungsbestrebungen.

1978, als die „Freiheitlich-demokratische Grundordnung“ entstand, und davor, wurde Konkrete Poesie nicht betrieben von ihr ausschließlich huldigenden Künstlern, sondern war für sehr viele Künstler mit ganz anderen Ideen und Werkentwürfen ein eher nebensächliches „Kunstspiel“.

Der berühmte französische Dichter und Schriftsteller Guillaume Apollinaire hat Romane und Erzählungen wie „Der gemordete Dichter“ (Erzählungen. Verlag Wolke, Hofheim 1985, ISBN 3-923997-08-6) und Sachbücher wie „Die Maler des Kubismus.“ (Verlag die Arche, Zürich 1973) geschrieben, aber auch mit Wonne Konkrete Poesie zum Wortmalen im wahrsten Sinne des Wortes eingesetzt (Apollinaire, Guillaume. Calligrammes. Vorwort von Michel Butor. Éditions Gallimard 1995, ISBN 2-07-030008-0).

Der kanadische Dichter und Aktionskünstler Bill Bissett war und ist als Maler, Herausgeber der Literaturzeitschrift blewointment, Schriftsteller und Verfasser politisch scharfsinniger Gedichtsammlungen gut beschäftigt und hat uns doch unsterbliche Konkrete Poesie hinterlassen:

earthearthearthearthearthearth

Da juckt es Sprach-Junckies in Gehirn und Tastenfingern, außer „hear“ „the“ „art“ und „hear the art(!)“ dürften noch einige Wörter und Worte zu finden sein … (Bill Bissett, Liberating skies, 1968).

Der katalanische Dichter, Schriftsteller, Dramatiker, Graphik- und Plastikkünstler Joan Brossa i Cuervo ist „hauptberuflich“ der repräsentativste katalanische Avantgarde-Autor des 20. Jahrhunderts und hat nebenbei die Konkrete Poesie ein entscheidendes Stück weitergebracht:

Er ehrte die geschriebene Sprache groß und körperlich [1], stellte ebenso wirklich ein „Ewiges A“ in die Welt [2] und erschuf schließlich ein Gedicht, durch das man (in drei Zeilen) einfach durchlaufen kann [3].

1. Joan Brossa: Ehrengabe für das Buch, Passeig de Gràcia, Barcelona

Monument al llibre („Monument für das Buch“), Skulptur aus dem Jahr 1994 von Joan Brossa
Monument al llibre („Monument für das Buch“), Skulptur aus dem Jahr 1994 von Joan Brossa
von Joan Brossa / Till F. Teenck (Foto) [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

2. Joan Brossa: Liegendes A mit Fisch, Rathaus von Mollet del Vallès

Rathaus von Mollet del Vallès (Katalonien, Spanien)
Rathaus von Mollet del Vallès (Katalonien, Spanien)
JT Curses [CC BY-SA 4.0], via Wikimedia Commons

3. Joan Brossa: Begehbares visuelles Gedicht in drei Zeiten, Velòdrom, Barcelona

Skulptur von Joan Brossa
Poema visual transitable en tres temps („Begehbares visuelles Gedicht in drei Zeiten“), in den Vordergrund: 3. Destrucció („Vernichtung“), 1984, Skulptur von Joan Brossa nahe dem Velòdrom d’Horta in Barcelona, Katalonien (Spanien).
von Joan Brossa / Till F. Teenck [CC BY-SA 3.0], via Wikimedia Commons

Und so weiter und so weiter, im Handumdrehen ist eine Liste von gut zwei Dutzend bekannten Künstlern und Wissenschaftlern zusammengestellt, die sich auch, aber beileibe nicht nur mit Konkrete Poesie beschäftigen:

Architekt Friedrich Achleitner, Lyriker H. C. Artmann, Philosoph Max Bense, Linguist Chris Bezzel, Künstler Ivar Breitenmoser‎, Dramaturg Claus Bremer, Klangkünstler Henri Chopin, Avantgarde-Künstler Carlfriedrich Claus, Künstlerin Caterina Davinio, Maler Paul de Vree, Literatur- und Medienwissenschaftler Reinhard Döhl, Künstler Öyvind Fahlström, Gartenkünstler Ian Hamilton Finlay, Dichter Ferreira Gullar, Kritiker Helmut Heißenbüttel, Künstler Jiří Kolář, Komponist Jackson Mac Low, Literaturwissenschaftler Kurt A. Mautz, Drucker und Verleger Hansjörg Mayer, Literaturkritiker Edwin Morgan, Aktions- und Objektkünstler Dieter Roth, Komponist Gerhard Rühm, Psychiater Konrad Balder Schäuffelen, Philosoph Siegfried J. Schmidt, Maler Kurt Schwitters, Maler André Thomkins, Künstler Timm Ulrichs und Performance-Künstler Emmett Williams.

Beziehungsweise beschäftigt haben, denn:

Untergang der Konkreten Poesie in der Werbung

Die altweltliche und die brasilianische Konkrete Poesie nahmen beide den gleichen, naheliegenden Weg in die Zukunft: Konkrete Poesie, etwas platter gedacht, eignet sich hervorragend, beim Betrachter a) Aufmerksamkeit und b) genau die Emotionen hervorzurufen, die von überlegten Entscheidungen abhalten – und die deshalb durch die Werbung so dringend erzeugt werden müssen.

Denn wenn Werbung nur zeigen würde, was wir wissen wollen (was unterscheidet ein Produkt von anderen, was sind seine Vorteile und seine Nachteile), bräuchte es keine großen Werbe-Agenturen. Das könnte uns der Hersteller verraten, er kennt sein Produkt am besten. Damit eine gut bezahlte Industrie entstehen konnte, musste diese einen Mehrwert kreieren.

Wenn der beim Produkt nicht so leicht zu finden ist, zahlt der beauftragende Unternehmer seine geniale Werbe-Agentur für einen anderen Mehrwert: Kunden-Beeinflussung jenseits der Sachebene = höherer Absatz tatsächlich nicht besserer Produkte.

Ein Großteil dessen, was einstmals an spielerisch, künstlerisch, extravagant verarbeiteten Wörtern, Worten und Bildern geschaffen wurde, um die Betrachter zu amüsieren, aufzuregen, auf Bedrohungen und Missstände aufmerksam zu machen (und genau das auch tat), wurde nun von der Werbung aufgesogen und für kunstferne Zwecke instrumentalisiert.

Und viele gerade startende Kunstschaffende ließen sich gerne dergestalt vereinnahmen, lebt es sich vom fetten Auftrag einer Werbe-Agentur doch wesentlich besser als vom in Vor-Ruhmes-Zeiten üblicherweise kargen Künstlerlohn …

Die entschlossenen Poeten der Konkreten Poesie sind deshalb heute rar geworden, einige wenige Einzelvertreter halten die Fahne des Wortspiels noch hoch. Mit kühnen Entwürfen und endgültig frei von den einstmals starren Dogmen (Konkrete Poesie stellt ausschließlich sich selbst dar usw.) geht das Spiel mit dem Wort und den Buchstaben in eine neue Runde, als Spiel mit Bedeutungen, Schrift-Dimensionen (z.B. Schriftgrößen) und räumlicher Anordnung. Dies zu einem großen Teil in einem ganz neuen Medium, als Darstellung auf dem Bildschirm …

Die Zeiten der Schmuck- und Prachtbände voll Konkreter Poesie mögen vielleicht vorbei sein (vorerst, Bücher sind zu schön, um zu verschwinden), aber die Konkrete Poesie hat gerade jetzt die besten Zukunftschancen:

Die Zukunft: Mehr Konkrete Poesie für Alle!

Die Konkrete Poesie wurde auch als „Leidenschaft der Intellektuellen unter den Poeten“ eingeordnet, und Leidenschaften haben die erfreuliche Tendenz, uns letztendlich erhalten zu bleiben.

Wie der Computer-Nerd den Computer innen, außen und zwischen den Programmzeilen beherrscht, beherrscht der Sprach-Nerd eine Sprache bis in ihre Meta-Ebene – und der Weg zu einer solch sicheren Beherrschung der Sprache ist alltagstaugliche Denkschulung, die in zivilisierten Gesellschaften nie untergehen wird.

Wenn sich Computer-Nerd und Sprach-Nerd zusammen auf die Schriftzeichen auf einer Bildschirmoberfläche stürzen, entsteht Konkrete Poesie vom Feinsten.

Und: Heute steht diese alltagstaugliche Denkschulung allen Menschen offen, sie können passiv und höchst aktiv teilhaben, d. h. uns erwartet in der Zukunft eine Explosion von Konkreter Poesie auf unseren Bildschirmen … uns könnte eine Explosion von Konkreter Poesie auf unseren Bildschirmen erwarten, wenn sich die Menschen das Netz von den Konzernen zurückerobern.

Aber auch solange Sie mit der Nutzung eines der zur Erstellung verrücktester Werke der Konkreten Poesie geeigneten Programms in der Regel sämtliche Urheberrechte an den mit diesem (kostenlosen?) (Online-?) Programm erstellten Kunstwerken abtreten, können Sie mit dem Computer Konkreten Poesie machen. Um mit Sprache zu spielen, reicht eine leere Word-Seite und zur Not sogar der Notizblock.

Nur Fantasie braucht es, für die unendlichen Möglichkeiten:

Die „Freiheitlich-demokratische Grundordnung“ von Wolfgang Lauter kann mit vielen anderen Begriffen nachgestellt werden. Vielleicht in einem Algorithmus für einen langen Satz, der sich dann erst in 50.732 Zeilen „abarbeitet“ …

Vokabeln lernen macht viel mehr Spaß, wenn etwas Spannendes zu übersetzen ist:

Poèmes à Lou (Guillaume Apollinaire 1914)

Guillaume Apollinaire, Gedicht aus den Calligrammes
Guillaume Apollinaire, Gedicht aus den Calligrammes

Hier der Vollständigkeit halber der nicht ganz so gut zu entziffernde Text:

Reconnais-toi
Cette adorable personne c’est toi
Sous le grand chapeau canotier
OEil
Nez
la bouche
Voici l’ovale de ta figure
Ton cou exquis
Voici enfin l’imparfaite image
de ton buste adoré
vu comme à travers un nuage
Un peu plus bas
c’est ton coeur qui bat

Oder so, wer schreibt, der bleibt nicht nur, sondern lernt vor allem am besten:

Frühlingsgedicht
Frühlingsgedicht
von Antje Schramm (2009), via Wikimedia Commons

Das war’s mit den Vorschlägen, die Fantasie soll angeregt und nicht überflutet werden; zum Abschluss noch einmal Sprachgenuss von Gert Fröbe, mit Christian Morgensterns „Gespräch einer Hausschnecke mit sich selbst“:

… und hier der Vollständigkeit halber der nicht ganz so gut zu verstehende Text:

Gespräch einer Hausschnecke mit sich selbst

Soll i aus meim Hause raus?
Soll i aus meim Hause nit raus?
Einen Schritt raus?
Lieber nit raus?
Hausenitraus –
Hauseraus
Hauseritraus
Hausenaus
Rauserauserauserause …

(Die Schnecke verfängt sich in ihren eigenen Gedanken oder vielmehr diese gehen mit ihr dermaßen durch, dass sie die weitere Entscheidung der Frage verschieben muss)

Lina Sahne
Lina Sahne

Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse

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