Die Verbindung zwischen Kunst und Alltag ist seit der frühen Antike ein viel beachtetes Feld, das nicht nur Malerei, Bildhauerei oder Architektur betrifft, sondern auch das Produktdesign, allen voran von Möbelstücken. Seit Jahrhunderten hinterlassen Handwerker, Architekten und Künstler ihre individuellen Signaturen auf Sesseln, Stühlen und Tischen. Aus funktionalen Objekten werden kulturelle Ausdrucksträger.
In der modernen Welt hat sich dieser Anspruch intensiviert: Möbel werden nicht mehr bloß gekauft, um eine praktische Funktion zu erfüllen, sondern sollen Teil eines ästhetischen Gesamterlebnisses sein, das Innenräume prägt, Lebensstile reflektiert und künstlerische Botschaften vermittelt.
Ein anschauliches Beispiel für diese Verbindung sind Sitzmöbel, die im Laufe der Zeit immer stärker von Kunstobjekten inspiriert wurden. Aufregende Designschöpfungen vereinen skulpturale Ansätze mit der direkten Erfahrung eines Gebrauchsgegenstands. Dabei lässt sich beobachten, dass nicht nur klassische Designikonen diesen Status erlangt haben, sondern auch zeitgenössische Stücke, die Technologie und Form miteinander verschmelzen.
Technologie als Erweiterung von Funktionalität und Ästhetik
Die vergangenen Jahrzehnte haben gezeigt, dass wir Möbel mit Technologie verbinden können wie nie zuvor in der Geschichte des Produktdesigns. Heute vereinen sich hochmoderne Funktionen und eine ansprechende Gestaltung, um multisensorische Erlebnisse zu kreieren. Massagesessel, die ein anschauliches Beispiel für diese Entwicklung sind, verbinden moderne Mechanik, welche Körperbewegungen nachahmt und gezielt Entspannung fördert, mit einer klaren Designsprache. Man kann diesen Zusammenschluss von Design und Technologie als einen kreativen Prozess ansehen, bei dem der Nutzen selbst als Ausdrucksvehikel fungiert.
Die unterschiedlichen Designs beweisen, dass die Auswahl solcher Möbel neben der Funktionalität auch von Ästhetik und Kultur beeinflusst werden kann. Eine Vielzahl an Designmöglichkeiten wird sichtbar, von futuristischen organischen Kurven bis hin zu strengen Linien, die an moderne Skulpturen erinnern. Designaffine Menschen wollen nicht mehr nur aus gesundheitlichen oder ergonomischen Überlegungen einen Massagesessel kaufen; Häufig ist es auch ein Lifestyle-Statement, wenn man Komfort und Design in der eigenen Wohnung vereint.
Die Entscheidung für bestimmte Materialien, das Zusammenspiel von Leder oder Stoff mit Holz- oder Metallelementen sowie die Einbindung von LED-Beleuchtung oder sogar Soundeffekten können all diese Aspekte so zu einem Möbelstück verwandeln. So entsteht ein immersives Gesamterlebnis.
Ein Möbelstück ist nicht nur eine Form zum Sitzen, sondern eine stille Bühne für ästhetische Erfahrungen.“
Von der Skulptur zum Stuhl: Wie Kunst Möbel inspiriert
Schon im frühen 20. Jahrhundert begann der Austausch zwischen diesen auf den ersten Blick so verschiedenen Disziplinen, und er dauert bis heute an.
Rodin, Brâncuși und die frühen Einflüsse auf das Möbeldesign
Auguste Rodin (1840-1917) revolutionierte mit „Die Bürger von Calais“ die Vorstellung vom Denkmal gegen heftige Widerstände. Er stellte Menschen in dynamischer Bewegung dar, die wie gewöhnliche Menschen aussahen, anstatt idealisierte Figuren zu kreieren. Nachfolgende Künstler und Designer wurden von dieser neuen Sichtweise auf Form und Raum beeinflusst.
Foto von Irid Escent, CC BY-SA 2.0, via Wikimedia Commons
Constantin Brâncuși, der ab 1904 in Paris lebte und arbeitete, ist einer der einflussreichsten Bildhauer des 20. Jahrhunderts. Er brach mit der Realitätstreue der Wiedergabe durch Reduktion und hatte somit einen nachhaltigen Einfluss auf die Kunst der Skulptur. Er reduzierte seine bildhauerischen Arbeiten auf elementare Grundformen, die oft eine polierte Oberfläche hatten. Später findet man diese Formensprache in zahlreichen Möbelstücken wieder.
Wie Künstler Möbel als Ausdrucksform entdeckten
Während Brâncușis polierte Skulpturen sich der Industrieform näherten, gab Marcel Duchamp die Malerei auf und schuf sein erstes Ready-made „Roue de bicyclette“ (Fahrrad-Rad). Gleichzeitig befasste sich Fernand Léger mit der Theorie, wie Kunst die Schönheit der Maschinen erreichen könne.
Der amerikanische Architekt Frank Gehry entwickelte später innovative Sitzmöbel aus verklebter Wellpappe, deren Schichten so konstruiert waren, dass sie großem Druck widerstanden – ein Stuhl ohne materiellen Aufwand, mit sparsamsten Mitteln gestaltet. Zudem erkannten Designer, dass der Stuhl, losgelöst von seiner Funktion, als Inspirationsquelle für skulpturale Objekte dienen kann.
Foto von Sailko, CC BY 3.0, via Wikimedia Commons
Beispiele früher künstlerischer Möbelstücke
Ein bemerkenswertes Beispiel ist Pedro Friedebergs „Hand Chair“ aus den frühen 1960er Jahren. Es ist nicht einfach nur ein Möbelstück, sondern formuliert eine neue Art des Designs.
Foto von Jl FilpoC, CC BY-SA 4.0, via Wikimedia Commons
Ebenso bedeutend ist Alessandro Mendinis „Proust Armchair“, der die barocke Opulenz des Louis-XV-Stils mit einem impressionistischen Motiv als Bezug aus der Zeit Marcel Prousts vereint. Mendinis Anliegen war das historische Zitat; damit wurde der Sessel zu einem frühen Klassiker der Postmoderne, jener Bewegung, die bewusst auf traditionelle Stilmittel zurückgriff und diese ironisch umdeutete.
Foto von THOR, CC BY 2.0, via Wikimedia Commons
Diese frühen Beispiele zeigen, wie die Designschau dort zur Kunstausstellung wird, wo Stühle zu skulpturalen Objekten werden und exemplarisch für das Aufbrechen der Grenzen zwischen Kunst und Design stehen.
Der Mensch als integraler Teil des Kunstwerks
Ein interessanter Aspekt liegt darin, dass in beiden Bereichen der Mensch eine zentrale Rolle spielt. Eine Skulptur wird oft erst durch die Betrachtung lebendig, während ein Möbelstück erst dann seine volle Wirkung entfaltet, wenn jemand es benutzt. Spezielle Möbelstücke wie etwa ein Massagesessel stellen hier eine Steigerung dar, da sie die Beziehung zwischen Objekt und Mensch intensivieren. Der Körper wird nicht nur gestützt, sondern auch aktiv in Bewegung gesetzt, massiert und entspannt.
Bildquelle: © WELCON EUROPE GmbH & Co. KG
Kunstwerk (Skulptur) | Sitzmöbel (z. B. Massagesessel) |
Ausdruck von Emotion | Ausdruck von Komfort |
Spiel mit Materialien | Spiel mit Oberflächen & Stoffen |
Form bestimmt Wirkung | Form bestimmt Körperhaltung |
Während Gemälde oder Skulpturen oft nur aus der Distanz betrachtet werden, treten Möbel in eine unmittelbare Beziehung zum Körper. Sie werden benutzt, angefasst, bewohnt. Diese enge Verbindung zwischen Objekt und Nutzerin oder Nutzer verwandelt das Möbelstück in ein „interaktives Kunstwerk“, das erst durch die menschliche Präsenz seine Bedeutung entfaltet.
Die Rolle des Menschen in diesem Kontext lässt sich auch mit einem Gedanken aus der Theaterwissenschaft vergleichen: Ein Bühnenbild ist nur dann vollständig, wenn Schauspieler:innen es beleben. Zieht man diese Analogie heran, wird ein Möbelstück erst dann zum vollständigen Kunstwerk, wenn es genutzt wird. Der Massagesessel ist damit eine Art Bühne, auf der der Körper selbst zur Hauptrolle wird, während die Technik das Skript vorgibt und die Form die Kulisse bildet.
Zeitgenössische Möbeldesigner mit einer künstlerischen Seele
Aktuelle Designer von künstlerischen Möbeln überschreiten bewusst die Grenzen der Tradition und entwerfen Werke, die zwischen dem Nützlichen und dem Kunstobjekt schweben. Sie nutzen Materialien, die nicht alltäglich sind, spielen mit Formen und teilen persönliche Geschichten durch ihre Kunstwerke.
Merve Kahraman: Zwischen Fabel und Funktion
Merve Kahraman begann ihr Studium der Molekularbiologie und Genetik, bevor sie eine mutige Entscheidung traf:
Ich bemerkte, dass ich mich mehr für die Kreation interessierte als für das Studium der Kreation“.
Die türkische Designerin, die am Istituto Europeo di Design in Mailand studiert hat, entwirft Möbel mit einem märchenhaften Charakter. Ein Freund zog einen Vergleich zwischen ihren Entwürfen und „Alices Abenteuer im Wunderland“ – eine Assoziation, die Kahraman gefällt, weil es ihre Lieblingsgeschichte aus der Kindheit war. Ihre Entwürfe reichen von Beistelltischen aus Marmor mit karierten Stoffbeinen bis hin zu Sesseln, die von Zuckerwatte inspiriert sind.
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Fernando Mastrangelo: Möbel als Landschaft
Die Arbeiten von Fernando Mastrangelo kreieren „ein Universum, in dem Landschaften, Texturen und menschliche Zustände übereinander geschichtet und miteinander verknüpft sind“. Der Künstler aus New York gestaltet seine Möbel aus natürlichen oder wiederverwendeten Materialien wie Sand, Salz und zerkleinertem Glas.
Sein „Drift Sofa“ ist besonders beeindruckend – eine Sandkonstruktion mit einem Samtbezug, handgefärbt in sanften Blautönen, die schmelzende Gletscher nachahmt.
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Djivan Schapira: Vintage-Stil aus Kunstharz
Der 28-jährige Franzose Djivan Schapira bringt Retro-Elemente mit einer modernen Ästhetik zusammen. Er verbindet retrofuturistische Designs mit den erlesensten französischen Dekorationstechniken wie Marketerie und Lackarbeit in seiner „Solar Sailer“-Kollektion. Seine korallenfarbenen Esstische aus Kunstharz, die an Surfbretter erinnern, sind ebenso charakteristisch wie die Cocktailtische mit Messingbändern.
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Sara Efia Reddin: Ghana trifft Barcelona
Nach beinahe 20 Jahren in Paris hat Sara Efia Reddin ihren Wohnsitz in Barcelona gefunden. Ihre Kunstwerke sind ein Spiegelbild der kulturellen Vielfalt, die sie als Tochter eines irisch-italienischen Vaters und einer ghanaischen Mutter erlebt hat.
Unter ihrer Marke „Golden Editions“ bringt sie „die Kühnheit Londons, die Eleganz von Paris und den sonnendurchfluteten Geist Barcelonas“ zusammen. In Barcelona werden Ihre Produkte entworfen, sie werden von lokalen Handwerkern in Ghana gewebt und in Spanien fertiggestellt.
Robert Kuo: Eine neue Perspektive auf Cloisonné
Robert Kuo, geboren in Peking, lernte die Cloisonné-Technik im Alter von 15 Jahren in der Werkstatt seines Vaters. Nachdem er 1973 in die USA emigrierte, bereicherte er diese traditionelle Kunst mit Einflüssen der Art Nouveau und der Art Déco.
Ab 1985 begann er auch, mit Repoussé zu arbeiten – einer Technik, bei der auf Metall dekorative Reliefs gehämmert werden. Von schimmernd weißen Hockern bis hin zu abstrakten Loungesesseln umfasst sein Mobiliar eine Vielzahl von Formen.
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Ein paar Worte über die Zukunft der Wohnästhetik
Eine noch engere Verbindung von Kunst, Design und Technologie wird die Zukunft der Möbel zweifellos prägen. Heute ist bereits erkennbar, dass der Wunsch nach Objekten, die mehr sind als nur funktionale Gebrauchsgegenstände, stetig intensiver wird.
Während Wohnräume als Rückzugsorte gelten, sind Möbelstücke von zentraler Bedeutung, die über ihre Funktionalität hinaus auch kulturell bedeutend sind. Hier wird die Sehnsucht nach Entspannung zu einem Bestandteil der Lebenskunst, wo Komfort und Ästhetik sich nicht widersprechen, sondern vielmehr einander ergänzen. Infolge dieser Entwicklung werden Innenarchitektur, Möbeldesign und Kunst sich noch enger miteinander verbinden. Räume werden nicht nur eingerichtet, sondern geradezu inszeniert – wie kleine Bühnen, auf denen der Alltag in einer künstlerischen Form stattfindet.
- Ein minimalistischer Raum kann durch ein expressives Möbelstück eine Transformationswirkung entfalten.
- Ein technisch ausgefeilter Massagesessel kann zum ikonischen Mittelpunkt einer Wohnung werden.
- Die bewusste Wahl von Möbeln reflektiert auch die künstlerische Haltung der Bewohnerinnen und Bewohner.
Damit zeichnet sich ein klarer Trend ab: Kunst wird nicht länger nur in Museen oder Galerien gesucht, sondern bewusst in den privaten Raum integriert.
Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.