Unter den Medien-Berichten, die eher auf Aufmerksamkeit des Publikums als auf Auszeichnung für gute Information aus sind, sticht bei der Berichterstattung über Isa Genzken öfter mal (oder fast immer?) eine Tendenz hervor: Isa Genzken habe einen Teil ihrer Karriere ihrem berühmten Ehemann zu verdanken.
Es ist nicht so, und Sie werden nie wieder in die Verlegenheit kommen, solchen Quatsch auch nur zu vermuten, wenn Sie folgende Fakten aus Isa Genzken Ausstellungshistorie kennen:
Isa Genzken kam bereits sehr früh zu ihrer ersten Solo-Ausstellung, vor dem Besuch der Meisterklasse: 10–22. Januar 1976 lief die Ausstellung „Isa Genzken. Ellipse und Lichtparallelogramm“ in der Galerie Konrad Fischer in Düsseldorf.
Konrad Fischer gehörte zu den damals nicht seltenen „enfant terribles“ der modernen Kunst; er hatte seine Galerie 1967 in den Vorwehen der 1968er-Bewegung eröffnet, um teilzuhaben daran, dass der traditionelle Kunstbetrieb der BRD gründlich durchgeschüttelt wurde. Was ihm geglückt ist, der Sohn eines Mannesman-Direktors konnte schon während seines Kunststudiums (an der Kunstakademie Düsseldorf, natürlich, aber Anfang der 1960er) genug Kontakte knüpfen, um seine durch Verglasung einer Tordurchfahrt geschaffene Altstadt-Galerie zu einer der weltweit einflussreichsten Galerien zu entwickeln.
Fischer vertrat wichtige Künstler, oft ab ihrem ersten öffentlichen Auftritt (in Deutschland), Minimalisten und Konzeptkünstler wie Carl Andre und Joseph Beuys, Hanne Darboven und Hamish Fulton, Sol LeWitt und Richard Long, Bruce Nauman, Markus Oehlen, Blinky Palermo, Lawrence Weiner und andere.
Vor allem weil bei Fischer viele legendäre amerikanische Künstler das erste Mal in Deutschland zu sehen waren, wird der Galerie heute kunstgeschichtliche Bedeutung zugemessen. Die Konrad Fischer Galerie soll außerdem wesentlich dazu beigetragen haben, dass Düsseldorf zu einem international anerkannten Brennpunkt der zeitgenössischen Kunst wurde.
In ähnlichem Stil ging es weiter mit den Soloausstellungen Genzkens: 20. Mai bis 18. Juni 1978 „Isa Genzken“ im Kabinett für aktuelle Kunst, Bremerhaven.
Das Kabinett wurde 1967 von Jürgen Wesseler gegründet; der Vermessungsingenieur mit Spürnase für moderne Kunst hat einen Schaufensterraum im Erdgeschoss der Kunsthalle Bremerhaven zum kleinen, aber einflussreichen Ausstellungsort gemacht.
Dort fanden zahlreiche bedeutende Einzelausstellungen und Premieren statt, zum Beispiel von und mit Carl Andre, Bernd und Hilla Becher, Hanne Darboven, On Kawara, Blinky Palermo, On Kawara, Sigmar Polke, Gerhard Richter und Lawrence Weiner. Isa Genzken zeigte in ihrer ersten Einzelausstellung in dieser Institution drei ihrer Ellipsoide.
1979 waren „Skulpturen, Zeichnungen, Fotographien“ von Isa Genzken im Museen Haus Lange / Haus Esters in Krefeld zu betrachten; 1981 wurde diese Ausstellung im Rahmen der mit dem Karl Schmidt-Rottluff Stipendium verbundenen Ausstellung im Institut Mathildenhöhe in Darmstadt gezeigt.
Bei den Skulpturen handelte es sich um Ellipsoide und Hyperbolos, bei den Fotographien um Hi-Fi- und Ohren-Fotografien, bei den Zeichnungen um Computerzeichnungen (die von manchem Künstler fast 40 Jahre später als ganz neu vorgestellt werden).
Mit Ausstellung in Frankreich, Biennale Venedig, Documenta 7 (mit vier von Genzkens Ellipsoiden), künstlerischen Ausflügen nach Bulgarien und New York sowie Bestückung der Skulptur Projekte Münster mit „ABC“, Genzkens erster ortsspezifischer Outdoor-Skulptur (u. a.) gingen die Jahre 1980 bis 1986/ Frühjahr 1987 gut beschäftigt vorbei; 1987 hatte Genzken ihr halbes Eheleben hinter sich gebracht.
Und sie hatte Lust und Zeit für eine Solo-Ausstellung. Die ermöglichte Galerist Daniel Buchholz im gewünschten Stil, indem er ein Ladengeschäft der MUSIX GmbH in Köln über die Galerie Daniel Buchholz anmietete, damit Isa Genzken ihre „Weltempfänger“ (die sich inzwischen vom ersten Readymade zu einer Reihe kleiner Beton-Skulpturen entwickelt hatten, mo.ma/2m5ai3O) im angemessenen Rahmen = Schaufenster eines lokalen Musikgeschäfts ausstellen konnte.
Diese erste Ausstellung mit Daniel Buchholz, der 1986 seine gleichnamige Galerie in Köln eröffnet hatte, sollte nicht die letzte bleiben, Buchholz wird Genzkens Hauptgalerist und vertritt sie weltweit bis heute. Damit hatte sich Genzken wieder einmal früh an einen Galeristen mit großer Zukunft gewandt; eine beachtliche Reihe heute weltführender Künstler haben früh oder überhaupt das erste Mal in Deutschland in der Galerie Buchholz ausgestellt: John M. Armleder, Chris Burden, Maurizio Cattelan, Simon Denny, Cerith Wyn Evans, die kanadische Künstlergruppe General Idea, Dominique Gonzales-Foerster, Carsten Höller, Mike Kelley, Mark Leckey, Olivier Mosset, Henrik Olesen, Dieter Roth, Blinky Palermo, Philippe Parreno, Sigmar Polke, Frances Stark, Wolfgang Tillmans, Danh Vo.
Heute hat die Galerie Ausstellungsräume an zentralen Adressen in Köln, Berlin und New York City und vertritt über 40 zeitgenössische Künstler aus aller Welt.
1988 folgt die Ausstellung „Isa Genzken“ im Rheinischen Landesmuseum Bonn und damit Genzkens erste Museums-Reise; die Ausstellung zieht unter dem Namen „Isa Genzken: Sculptures 1978–1989“ weiter zum Kunstmuseum Winterthur in der Schweiz (ab Januar 1989) und zum Museum Boijmans Van Beuningen Rotterdam (ab April 1989).
Einführung zu ISA GENZKEN. WERKE VON 1973 – 1983 durch Kurator Søren Grammel
1989 stellt Isa Genzken außerdem am Goethe-Institut in Rotterdam aus, 1990 in der Galerie Greta Meert in Brüssel. 1992 war Genzken wieder in der Galerie Daniel Buchholz in Köln zu sehen; außerdem zeigte die Renaissance Society in Chicago „Jeder braucht mindestens ein Fenster“, die Ausstellung zog weiter zum Portikus in Frankfurt am Main (1992), zum Palais des Beaux Arts Brüssel (1993) und zur Städtischen Galerie im Lenbachhaus München (1993).
1996 wurde in der Generali Foundation in Wien „MetLife“ gezeigt, 1997 „Isa Genzken“ in der Galerie Corvi-Mora London und 1998 in der INIT-Kunsthalle in Berlin. 2000 folgen die Ausstellungen „Isa Genzken: Sie sind mein Glück“ im Kunstverein Braunschweig und „Isa Genzken – Urlaub“ im Frankfurter Kunstverein Frankfurt/Main.
Für ihre Auftritte in Gruppenausstellungen hat sich Isa Genzken auch vor allem die besten der besten Kunst-Ausstellungsplätze ausgesucht: Nach einigen Ausstellungen im westdeutschen Raum war Isa Genzken 1981 im Musée d’art moderne de la ville de Paris in der Ausstellung “ Art Allemagne Aujourd ́hui“ zu sehen, um schon 1982 zum ersten Mal auf die documenta in Kassel eingeladen zu werden.
Sie zeigte auf dieser documenta 7 Ellipsoiden und Hyperbolo-Skulpturen. Ebenfalls 1982 war Kunst von Isa Genzken auf der 40. Biennale von Venedig zu sehen, in der Galerie nächst St. Stephan in Wien und im Kölnischen Kunstverein.
1983 stellte sie im Stedelijk Van Abbemuseum Eindhoven, im Centrum Beeldende Kunst Rotterdam und mehrfach in Deutschland ihre Werke aus. Die Jahre bis 1990 verliefen ähnlich, mit Highlights im MUMOK Wien (1985, „Kunst mit Eigen-Sinn“), Bulgarien (1986, „Sie machen was sie wollen. Junge rheinische Kunst“, Union of Bulgarian Artists, Sofia), der Skulptur Projekte Münster 1987, New York (1987, Juxtapositions: Aktuelle Skulptur aus England und Deutschland, P.S.1 Institute for Art and Urban Resources, heute MoMA PS1), Sydney (1988, 7th Biennale of Sydney) und Montreal (1990, Broken Music, Musée d´art contemporain de Montréal).
1991 war Genzken-Kunst in Köln und Düsseldorf zu sehen, 1992 auf der documenta 9 in Kassel (Beton- und Epoxydharz-Skulpturen), 1993 auf der 45. Biennale von Venedig („Venedig“, große Epoxid-Skulptur in zwei Teilen, die eigens für die Ausstellung angefertigt wurde), 1994 in London und Wien, 1995 in Tampere, Fl + Houston, TX USA, Dunkerque Frankreich und wieder in Wien.
1996 war Genzken auf der Ausstellung „Plätze und Platzzeichen“ in den Städtischen Museen Heilbronn vertreten, 1997 reisten Werke von ihr nach Wien und Mürzzuschlag in Österreich, zur Skulptur Projekte Münster, nach New York und Warschau. 1998 ging es von Hamburg nach Seoul und Hong Kong und nach Hamburg zurück; 1999 über Frankfurt am Main, Berlin, Wien nach Mönchengladbach und ins niederländische Arnhem; im Jahr 2000 standen Rotterdam, der Skulpturenpark Köln, die Galerie K & S Berlin, die Kunsthalle Bremen, das ZKM Karlsruhe und noch einmal Mönchengladbach („Wechselkurs 1995-2000“, Städtisches Museum Abteiberg) auf der Ausstellungsroute.
Um 20 Solo-Ausstellungen und gut 60 Gruppenausstellungen bis zum Jahr 2000, das ist für die Zeit vor der Jahrtausendwende eine mächtige Ausstellungskarriere. Vor allem für eine weibliche Künstlerin, die dafür bekannt ist, nicht jede passende oder unpassende Gelegenheit zu nutzen, um ihre Kunstwerke öffentlich präsentieren zu können.
Dabei muss auch noch berücksichtigt werden, dass die Sammlungen von Ausstellungsdaten bis zur Jahrtausendwende recht lückenhaft sind, bei führenden Welt-Kunst-Betrachtern sind häufig gleich mehrere Ausstellungen Isa Genzkens in der Übersicht über ihre Ausstellungshistorie nicht aufgeführt (und auch hier kann keine Garantie dafür übernommen werden, dass die Autorin wirklich alle Ausstellungen Isa Genzkens bis zur Jahrtausendwende recherchieren konnte).
Auf jeden Fall hat Isa Genzken schon bis zum Jahr 2000 viel ausgestellt; und danach wurde die Kunstwelt in großen Sprüngen globaler, es ging also erst richtig los: Noch vor dem Jubiläumsjahr mit ihrem 70. Geburtstag hat Isa Genzken es im neuen Jahrtausend auf knapp 60 Einzelausstellungen und 350 Gruppenausstellungen gebracht (Genzken Ausstellungen nach der Jahrtausendwende wurden hier bewusst nur kurz angerissen, damit „schön viel Stoff“ zur eigenen Entdeckung bleibt).
Nachdem Werke von Isa Genzken im neuen Jahrtausend in fast jeder Ausstellung zu sehen waren, die in der Kunstwelt größeres Aufsehen erregte, mehren sich auch in der traditionellen Presse die sachlichen Artikel, wenn es um Werk und Schaffen der Künstlerin geht. Aus den Abgründen des Journalismus poppen aber nach wie vor lustige Aussagen wie z. B. der Satz „Sie war Meisterschülerin von Gerhard Richter und mehr als 20 Jahre dessen Ehefrau“ auf; als Schlusssatz eines Artikels über die Retrospektive im Museum Ludwig Köln (2009) ebenso falsch wie unzutreffend Protektion durch Richter andeutend.
Auch im Bereich „Preise und Auszeichnungen“ kommt bei Isa Genzken eine stattliche Liste zusammen:
- 1977: Reisestipendium der Kunstakademie Düsseldorf in die Vereinigten Staaten
- 1978 – 1980: Karl Schmidt-Rottluff Stipendium
- 1980: Kunstpreis Berlin der Akademie der Künste Berlin.
- 2002: Wolfgang-Hahn-Preis Museum Ludwig Köln
- 2004: Internationaler Kunstpreis der Kulturstiftung Stadtsparkasse München
- 2007: „Bedeutendste lebende Künstlerin“ im alljährlichen „Künstler-Ranking“ des Kunstmagazins Monopol
- 2008: Yang Hyun Prize der Yang Hyun Stiftung, Seoul
- 2013: Das Magazin „Spiegel“ zählt Genzken anlässlich der Retrospektive ihrer Werke im New Yorker MoMA zu den „bedeutendsten Künstlerinnen der vergangenen 30 Jahre“
- 2017: Isa Genzken wird mit dem Goslarer Kaiserring ausgezeichnet
Im Jahr 2018 werden zum 70. Geburtstag der Künstlerin sicher genug Ausstellungen mit Kunst von Isa Genzken bestückt, wer die alle verpasst hat, kann sich eines der zahlreichen Genzken-Werke im öffentlichen Raum ansehen (neben den bereits erwähnten z. B. das „X“ in der Münchner Arnulfstraße, die von Münster nach Gnadendorf/Österreich an die Schlossruine Wenzersdorf gewanderte Skulptur Vollmond; insgesamt sind es 23) oder die zahlreichen Kunstwerke von ihr, die in öffentlichen Sammlungen präsentiert werden:
- Belgien: Museum Dhondt-Dhaenens (MDD), Deurle
- Dänemark: Louisiana Museum of Modern Art, Humlebæk
- Deutschland: H2 Zentrum für Gegenwartskunst im Glaspalast Augsburg; Museum Frieder Burda Baden-Baden; Sammlung Hoffmann Berlin; Museum Ludwig Köln; MMK Frankfurt/Main; Städtische Galerie im Lenbachhaus & Kunstbau München; Städtisches Museum Abteiberg Mönchengladbach; Kunstraum Grässlin St. Georgen
- Frankreich: FRAC Nord-Pas de Calais Dunkerque; Fondation Louis Vuitton Paris
- Italien: MUSEION Bolzano; Fondazione Morra Naples
- Japan: 21st Century Museum of Contemporary Art Kanazawa
- Niederlande: Van Abbemuseum Eindhoven; Stedelijk Museum Amsterdam
- Österreich: Generali Foundation Wien; Museum der Moderne Salzburg
- USA: Carnegie Museum of Art Pittsburgh, PA; The Warehouse Dallas, TX; MOCA Grand Avenue Los Angeles, CA; MoMA New York City, NY; Kemper Art Museum Saint Louis, MO; Hirshhorn Museum and Sculpture Garden Washington, DC;
- United Kingdom: The Saatchi Gallery London
Tour: Isa Genzken. Hier und Jetzt
Mit zwei Parallelausstellungen zu Isa Genzken (*1948), Hier und Jetzt und Arbeiten von 1973 bis 1983 bietet die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen einen besonderen Einblick in das Werk einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstlerinnen weltweit. Im Mittelpunkt stehen zwei Werkphasen aus ihrer fünf Jahrzehnte umspannenden Karriere.
In der Beletage sind aktuelle Arbeiten des letzten Jahrzehnts zu sehen. Parallel dazu liegt im Untergeschoss des K21 der Schwerpunkt auf ihrem visionären Frühwerk, das in keiner anderen Ausstellung bisher in diesem Umfang gewürdigt wurde. Diese spannende Zusammenstellung lenkt den Blick auf Entwicklungen innerhalb des Oeuvres sowie auf Isa Genzkens Weltanschauung.
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse