Die Weltkünstler, die in ganz unterschiedlichen nationalen und internationalen Ranglisten unbeirrt die obersten Plätze einnehmen, unterscheiden sich vor allem in Einem von Künstlern, die „einfach nur gute Kunst machen“.
Sie sind nicht nur selbst inspiriert, sondern sie inspirieren mit dem, was von ihrer Arbeit an die Öffentlichkeit dringt, auch die Mitwelt und die Nachwelt; über die eigentliche, körperliche Kunst hinaus. So auch David Hockney; er hinterlässt uns ein in mehrfacher Richtung anregendes Gesamtpaket:
David Hockney hat seine Talente entdeckt und genutzt
David Hockney zeigt den Menschen auf der Welt, die mit ihrem Leben etwas vorhaben, wie ein ganz normaler Mensch all das zu seinem Vorteil nutzen kann, was eine moderne soziale Demokratie ihren Bürgern bietet: Er hat es als Kind normal arbeitender Eltern geschafft, auf dem edelsten Kunst-College Englands aufgenommen zu werden.
Der Besuch des Royal College of Art in London dürfte damals kein Zuckerschlecken gewesen sein, weil es sicher bornierte Kommilitonen aus der Oberschicht gab, die mit normalen Menschen wie Hockney wenig anfangen konnten. Aber Hockney hat sich seinen Kreis gesucht, eine Reihe freidenkender Studenten mit (Auslands-) Erfahrungen.
David Hockney konnte seinen Lebensplan allerdings unter zwei günstigen Voraussetzungen entwickeln, die damals und heute nicht jedem Menschen zur Verfügung stehen: Er konnte sich ausprobieren und seine Talente entdecken (und er fand ein großes Talent, was die Sache aber nicht erleichtert, normal begabten Menschen mit mehreren, nicht so ausgeprägten Talenten stehen mehr Wege offen).
Talenterforschung ab frühester Jugend kann nur gelingen, wenn die Eltern den Weg dazu freimachen (womit nicht gemeint ist, dass das Kind in 25 Pre-School-Kursen von unzureichend bezahlten Pädagogen mit Wissen vollgestopft wird, sondern dass es Gelegenheit zur selbst bestimmten Entdeckung und Antworten auf viele Fragen bekommt, in unserem Gesellschaftssystem für Eltern keine leicht zu bewältigende Aufgabe).
David Hockney hatte Glück mit seinen Eltern: Beide waren ganz normale Menschen aus der arbeitenden Klasse und doch den entscheidenden Tick anders. David Hockneys Vater Kenneth arbeitete erst als Buchhalter und dann als Leiter des eigenen Buchhaltungsunternehmens, Mutter Laura war Verkäuferin z.. B. bei der London Rubber Company, bis sie mit Erziehung der zwischen 1931 und 1939 geborenen fünf Kinder mehr als ausreichend ausgelastet war.
Aber Vater Kenneth Hockney war auch ein talentierter Amateurkünstler, der die künstlerische Begabung des Sohnes erkannte und förderte. Und er engagierte sich für die Welt, in der er lebte – soziale Kampagnen und kritische Briefe an Stalin oder andere bedrohliche Persönlichkeiten waren ihm allemal wichtiger als der tägliche Haushaltskram.
Um den Haushalt kümmerte sich Mutter Laura unangestrengt nebenbei; sie war mehr daran interessiert, ihre Kinder mit den Grundlagen einer gelungener Lebensführung vertraut zu machen und ihnen für die wichtigen Entscheidungen des Lebens den Rücken zu stärken. Auch hier agierte die in sich ruhende Methodistin jedoch mit einer unaufgeregten Laissez-faire-Haltung und jener Großzügigkeit des Geistes, die andere nicht einengt und ihnen nichts aufzwingt; die strenge Vegetarierin war zum Beispiel gerne bereit, für die restliche Familie Fleischgerichte zuzubereiten.
So hatte bei den Hockneys niemand etwas dagegen, dass Klein-David mit den Malutensilien im Kinderwagen durch die Stadt zu trödelte, so setzten sich alle fünf jungen Hockneys bereits im Grundschulalter hohe Ziele , so erhielten alle fünf Kinder Stipendien für den Besuch des Gymnasiums. Eine Erziehung mit Respekt vor dem Kind ist mutig und sicher nicht immer einfach, der Erfolg sollte den Eltern Hockney aber recht geben:
Sohn David sorgte bald mit seiner Kunst für internationale Schlagzeilen; sein großer Bruder Paul gründet sein eigenes Buchhaltungsunternehmen (und übernahm Davids Buchhaltung), wurde für die Liberaldemokraten erst Stadtrat in Bradfords Vorort Idle und dann Oberbürgermeister von Bradford.
Die Brüder John und Philip wanderten nach Australien aus und machten dort Karriere, einer als Grafiker und Ausstellungsgestalter, der andere mit der Produktion von großen Lastwagen (heute 3 Fabriken). Die Schwester, Margaret, arbeitete als Krankenschwester in den entlegensten Teilen der Welt, bevor sie nach Yorkshire zurückkam, um in Bridlington ihre eigene Klinik für Naturmedizin zu gründen, dorthin zog auch Laura Hockney, nachdem ihr Mann Kenneth 1978 verstarb.
David Hockney stand zeitlebens in engem Kontakt zu seiner Familie, besuchte sie in der alten Welt und empfing die Eltern auch öfter in Kalifornien. Laura Hockney wurde zur Inspiration vieler seiner Bilder, nahm noch in hohem Alter und im Rollstuhl an den meisten Empfängen des berühmten Sohnes teil und verstand sich gut mit seinen teils etwas ungewöhnlichen Freunden. David Hockney war oft in Bridlington, eine Reihe wunderbarer Pastelle der Heidelandschaft um das Seebad zählen zu den schönsten Gemälden seines Alterswerks; er war bei seiner Mutter, als sie Mai 1999 im Alter von 98 Jahren verstarb.
Wer seine Talente ohne freundlichen Anschub entwickeln muss, hat es sicher schwerer, kann sich aber beim älteren David Hockney einen Teil eben dieses freundlichen Anschubs holen: David Hockney hat sich zeitlebens durchgesetzt, immer gewaltfrei, immer charmant und gut gelaunt. Er hat einfach sein Ding gemacht, ohne sich zu sehr darum zu kümmern, was irgendwelche Kritiker davon halten –
Ich male was ich will, wann ich will und wo ich will.“
ist ein wirklich typisches Hockney-Zitat.
Der durchschnittliche Mensch braucht unter Umständen sehr lange, bis er sagen kann: „Ich arbeite was ich will, wann ich will und wo ich will.“, Menschen der älteren Generation haben dieses Stadium der Freiheit sogar oft erst mit der Rente erreicht, und die Kritiker sind häufig frustrierte Lehrer und überarbeitete Behördenmitarbeiter, zu deren Überwindung es sehr viel freundliche Unverschämtheit á la Hockney braucht …
Aber David Hockney wurde und wird von den ernsthaften Kritikern der ernsthaften Kunst auch nicht gerade mit Samthandschuhen angefasst: Zu seicht seine Arbeit, zu gut gelaunt sein Lebensstil, zu schön und bunt seine Bilder (und er wird immer noch häufig hartnäckig als Pop Art-Künstler eingestuft, der er nicht ist und nie war). Leicht ist es also nie, aber Einsatz für Sinn im Leben lohnt sich:
David Hockney hat seine Zeit sinnvoll eingesetzt
Hockney wird als arbeitsam beschrieben. War er sicher auch, aber ganz bestimmt nicht übermäßig. Etwa 2.000 Gemälde soll er geschaffen haben, allerdings im nicht ganz kurzen Zeitraum von 1961 bis heute. Rund 2.000 Gemälde in 58 Jahren macht knapp 3 Bilder im Monat, auch inklusive aller sonstigen Aktivitäten von Bühnenbild bis Buchrecherche genug Zeit, jedes Bild wirklich fertig zu gestalten und zwischendurch auch noch Kraft für neue Ideen zu tanken.
Selbstverständlichkeit? Für Künstler vielleicht, und auch noch für viele andere Menschen in Berufen, in denen kreativ gearbeitet wird. Solche Berufe verbieten viele Eltern ihren Kindern aber noch heute, weil sie mit zu viel Unsicherheit verbunden sind … während alle anderen Berufe auch zunehmend unsicherer werden.
Der – ohnehin erschreckend große – Teil der Menschen, der in Abhängigkeitsverhältnissen ohne irgendwelche Entfaltungsmöglichkeit sinnlose Arbeiten ausführt, wächst gerade gewaltig. Der Teil der Menschen, die in solchen klein und engstirnig machenden Arbeitsverhältnissen gerade das Nötigste zum Überleben oder noch nicht einmal das verdienen, wächst auch.
Mit jedem Warenversand durch Händler und Spediteure, die sich um Steuerzahlungen und Grundbedürfnisse von Mitarbeitern einen Sch… scheren, geraten ein paar mehr Menschen in unfreie Beschäftigungsverhältnisse; mit jeder Ferienwohnung, die illegal vermietet wird, sinkt für ein paar Wohnungssuchende die Chance, eine bezahlbare Wohnung zu finden und verlieren Hotel-Angestellte ihre Jobs; mit jedem Krankenhaus und Pflegeheim, das den Fokus auf Befriedigung von Aktionären und nicht auf Gesundhalten und -pflegen von Alten und Kranken legt, werden ein paar mehr Menschen verschlissen, die für die Gemeinschaft arbeiten (und werden andere in Folge ganz der Fähigkeit beraubt, ihr Leben selbst zu gestalten).
Und natürlich steht der Einzelne in der Verantwortung, wer denn sonst? Der Staat richtet nur in einer Diktatur alles (dann bloß erfahrungsgemäß nicht zum Wohl aller Bürger). Der Bürger kann faktisch am meisten bewirken, viel schneller und unmittelbarer als ein Politiker (der in der rechtsstaatlichen Demokratie bei neuen Regeln für alle auch alle Interessen berücksichtigen muss): Er kann einfach aufhören, Dinge bei Unternehmen zu bestellen, die keine Steuern zahlen und Kurierfahrer ausbeuten, er kann sich vom Vermieter der Ferienwohnung die Anmeldung zeigen lassen und er kann sich politisch für menschliche Medizin engagieren; er könnte all dies sogar tun, bevor die Abwärtsspirale auch ihn erfasst.
David Hockney ist ein Beispiel dafür, was ein fleißiger und arbeitsamer Mensch vor Einsetzen dieser Abwärtsspirale erreichen konnte, damit ist er auch eine Mahnung für mehr Engagement gegen Ausbeutung, Vernachlässigung und jegliche engstirnige Tendenzen.
Kreative könnten sich von David Hockney dazu anregen lassen, vielversprechende Ideen mit einiger Beharrlichkeit zu verfolgen – auch wenn nicht immer 90 Millionen Dollar dabei herauskommen (dazu unten), setzen sich vernünftige Ideen doch sehr häufig irgendwann durch. Bis dahin wachsen diese Ideen, bei sehr fortschrittlichen Ideen muss auch erst die Zeit der Idee entgegenwachsen … Entwicklungswillige, die ihren Weg noch nicht gefunden haben oder noch nicht durchsetzen konnten, können sich bei David Hockney die Neugier abgucken, ständig weiter zu lernen – was Hockney wie alle großen Künstler getan hat.
Wer heute Entwicklung anstrebt und diese unter ungünstigeren Bedingungen als David Hockney starten muss, hat allerdings einen großen Vorteil: Wenn er gelernt hat, kommerziell/ideologisch motivierte Desinformation zu umgehen, kann er im Internet auf das Wissen der Menschheit zugreifen. Dem vor dem Wissen aufgetürmten Quatsch aus dem Weg zu gehen, ist sicher nicht leicht, und auch hier ist David Hockney ein gutes Vorbild, der sich nie auf die Mainstream-Informationsquellen beschränken ließ:
David Hockney nutzt Wissen seiner Zeit, aus der Vergangenheit bis hin zu neuesten Entwicklungen
David Hockney hat sich bei dem zu seiner Zeit verfügbaren Wissen bedient. Dem ganzen Wissen, er hat sich nicht damit zufrieden gegeben, die Einschätzungen seiner mehr oder weniger gebildeten Zeitgenossen in den Medien seines Landes zu lesen. Für ihn war die Vergangenheit lebendig und lehrreich, und er hat selbst in den alten Werken und alten Quellen gestöbert.
Inspiration aus altgriechischer Lyrik
Heraus kam beispielsweise ein Radierzyklus um den griechischen Poeten Konstantinos Cavafy und seine Lyrik. Konstantínos Pétrou Kaváfis, einer der größten griechischen Dichter der Neuzeit, lebte von 1863 bis 1933 vor allem in der ägyptischen Hafenstadt Alexandria. Hockney hatte Cavafy bereits während seines Studiums entdeckt und war begeistert von der klaren, unprätentiösen Art, in der Cavafy über Homosexualität schreibt. Konstantin Cavafy hat aber nicht nur seiner spät entdeckten Homosexualität viel schöne Lyrik gewidmet, sondern viele poetische Statements hinterlassen, von denen manche noch heute überraschend aktuell sind:
But the Wise Perceive Things about to Happen
Ordinary people know what’s happening now, the gods know future things because they alone are totally enlightened.
Of what’s to come the wise perceive things about to happen.
Sometimes during moments of intense study their hearing’s troubled: the hidden sound of things approaching reaches them,
and they listen reverently, while in the street outside the people hear nothing whatsoever.“
In deutscher Sprache:
Aber die Weisen nehmen Dinge wahr, die passieren werden
Normale Leute bemerken, was jetzt passiert; die Götter wissen, was die Zukunft bringt, weil sie allein vollständig erleuchtet sind.
Von dem, was bevorsteht, erspüren die Weisen die Dinge, die passieren werden.
Manchmal, in Momenten intensiven Studiums, wird ihr Gehör gestört: das verborgene Geräusch aufkommender Dinge erreicht sie,
und sie hören ehrfürchtig zu, während die Leute draußen in den Straßen überhaupt nichts hören.“
(englische Übersetzung zitiert aus: www.cavafy.com/poems/content.asp?id=128&cat=1, deutsche Übersetzung durch Autor dieses Artikels).
Cavafy wiederum hat sich das Gespür für den Zeitgeist auch nicht ausgedacht, sondern sich von den „alten Griechen“ inspirieren lassen, in diesem Fall vom Sophisten Philostratos (165/170 bis 244/249) und seiner Lebensbeschreibung des ein Jahrhundert vor ihm lebenden griechischen Philosophen Apollonios von Tyana:
For the gods perceive future things, ordinary people things in the present, but the wise perceive things about to happen.”
(Philostratos, Life of Apollonios of Tyana viii, 7, www.cavafy.com/poems/content.asp?id=128&cat=1).
Da sprachinteressierten Deutschen bei Cavafy unweigerlich ein getwittertes Covfefe in den Sinn kommt, folgt hier ein kurzer Abstecher mit Aufklärung dieses Rätsels: „Despite the constant negative press covfefe“ twitterte der US-Präsident am 31. Mai 2017 und meinte wohl „negative press coverage“ (negative Presse-Berichterstattung, eine seiner häufigsten Tweet-Phrasen).
Der demokratische Kongressabgeordneter Mike Quigley wollte sicherstellen, dass dieser und andere Tweets für spätere rechtliche Überprüfung erhalten bleiben und hat das genutzt, um den „Communications Over Various Feeds Electronically for Engagement“-Act zu initiieren. Dieses Gesetz zur „Kommunikation über diverse elektronische Kanäle in Erfüllung der Amtspflicht“ (oder Verbreitung von Lügengeschichten, so kann Engagement nämlich auch übersetzt werden) wurde unter dem Namen COVFEFE Act Juni 2017 während des 115. US-Kongresses in das Repräsentantenhaus eingebracht.
Am 06.12.2017 wurde die Gesetzesvorlage an das House Committee on Supervision and Government Reform verwiesen (www.congress.gov/member/betty-mccollum/M001143?page=3) und soll als Teil des „For the People Act“ entschieden werden, der von Quigley im Januar 2019 dem 116. Kongress, vorgelegt wurde.
Es lohnt sich, dieses Reformpaket unter quigley.house.gov/media-center/press-releases/quigley-legislation-included-hr-1-people-act-reform-package nachzulesen, mit dem „das Versprechen der US-Demokratie wiederhergestellt werden soll und die Korruptions-Kultur in Washington beendet werden soll“. Die eingebrachten Regelungen zur Sicherung digitaler Wahlsysteme durch Einbeziehung unabhängiger Cyber-Sicherheitsexperten, Schaffung einer öffentlich zugänglichen zentralen Datenbank für dem Kongress vorgelegte Dokumente, Einführung einer Rechenschaftspflicht, um Mandatsträger und Regierung ggf. zur Verantwortung ziehen zu können, Bekämpfung des Klimawandels, Aufbau einer Wirtschaft, die für alle Amerikaner funktioniert, Kostensenkung für verschreibungspflichtige Medikamente, Stärkung der Ethikgesetze, um sicherzustellen, dass die Beamten im öffentlichen Interesse arbeiten etc. nähren die Hoffnung, dass die USA nicht unter ihrer momentanen, inkompetenten Führung untergehen.
Zum Präsidenten gibt es auch Neuigkeiten: Die ersten Medien wie redgreenandblue.org/2019/01/31/covfefe-smocking-gun-global-waming-can-trump-even-read-write/ machen sich angesichts der getwitterten Fehlerflut ernsthafte Gedanken darüber, ob er überhaupt richtig lesen und schreiben kann.
Intensive Studien der Alten Meister
David Hockney wurde auch von einem tiefen Drang ergriffen: der Erforschung, wie es den Künstlern vergangener Epochen gelang, die Welt um sie herum so präzise und lebendig darzustellen. Für zwei Jahre widmete er sich intensiv dieser faszinierenden Spur und forschte leidenschaftlich nach den verborgenen Geheimnissen der Alten Meister.
In einem 2003 von der BBC produzierten Film demonstriert Hockney auf eindrucksvolle Weise, wie Künstler bereits vier Jahrhunderte vor der Erfindung der Fotografie einfache Kameras einsetzten, um realistische Bilder zu schaffen. Zusammen mit uns reist Hockney nach Florenz, Brügge und Gent sowie in ein eigens für diesen Zweck eingerichtetes Set in Hollywood, um seine Erkenntnisse auf anschauliche Weise zu veranschaulichen.
Erstmals erzählte Hockney die bewegende Geschichte seiner Suche und deren Entwicklung. Schritt für Schritt erläutert er, wie er wissenschaftliche und visuelle Beweise entdeckte, die jeweils neue Einsichten über die Vergangenheit eröffneten. Mit seinem einzigartigen künstlerischen Blick analysiert er bedeutende Werke der Kunstgeschichte und enthüllt die faszinierende Wahrheit darüber, wie Meister wie Caravaggio, Velazquez, van Eyck, Holbein, Leonardo und Ingres Spiegel und Linsen nutzten, um ihre unvergänglichen Meisterwerke zu schaffen.
Ein besonders aufschlussreicher Vergleich entsteht zwischen Jan van Eycks „Gent Altar“ (1432) und Hockneys eigenem Werk „Pearblossom Highway“ (1986). Er zeigt auf, dass multiple Perspektiven (viele, viele Fenster) auf einer zweidimensionalen Fläche einen ähnlichen distanzierenden Effekt erzeugen wie eine Vogelperspektive, jedoch im Detail überraschend widersprüchlich sind. Hockneys eindrucksvolle Fotocollage „Pearblossom Highway“ setzt sich aus etwa 750 einzelnen chromogenen Abzügen zusammen.
Historische Belege zeigen, dass van Eyck zahlreiche Zeichnungen verschiedener Elemente anfertigte, um aus diesen Details sein gesamtes Gemälde zu konstruieren. Zudem demonstriert Hockney lebhaft, wie Brunelleschi – der erste Architekt, der mathematische Perspektive zur Neudefinition des gotischen und romanischen Raumes einsetzte – einen Spiegel zur perspektivischen Darstellung des Baptisteriums von San Giovanni verwendete; ein Gemälde, das um 1412 Florenz in Staunen versetzte.
Hockneys fesselnde Erkundungsreise lädt den Zuschauer ein, die Komplexität und Meisterschaft in der Kunstgeschichte zu schätzen und inspiriert dazu, weiter in diese faszinierenden Themen einzutauchen.
Blick auf neueste Entwicklungen
Zurück zu einem David Hockney, der sich nicht nur in der Vergangenheit, sondern auch immer bei den neuesten Entwicklungen bedient hat. Er malte mit Acrylfarben, sobald diese auf dem Markt waren, und diese neuen, überraschend strahlenden Farben dürften ihren Teil zur Mainstream-Beliebtheit der Hockney-Gemälde beigetragen haben.
Was Hockney den Vorwurf einiger Kritiker eingetragen hat, keine Kunst, sondern Kitsch zu produzieren … wenn man jedoch Kunst und Kitsch überhaupt definieren kann (was viele vernünftige Leute aus guten Gründen ablehnen), ist das Verwerfliche am Kitsch nach allen gängigen Definitionen, dass hier minderwertige Arbeit, die im Betrachter nichts auslöst, für einen überhöhten Preis verkauft wird.
Überhöhte Preise werden für einen Teil von David Hockneys Kunst heute allerdings aufgerufen, und die Frage, ob diese in Marktmaschinen namens Auktion verschobenen Spekulationsobjekte und/oder Statussymbole überhaupt noch unter den gängigen Kunstbegriff fallen, ist sicherlich auch berechtigt. Aber das ist nicht auf dem Mist des Künstlers gewachsen, die Instrumentalisierung seiner Kunst kann er nach geltendem Recht auch nicht verhindern.
Die Anpassung des Rechts bzw. höhere Besteuerung der Verkäufer/Auktionshäuser wäre Sache der Gesetzgeber; aber es wäre taktisch sicher nicht der geschickteste Zug, abgefahrenen Millionären auch noch ans Spielzeug zu gehen, wo die Durchsetzung vieler wichtigerer Gemeinschaftsregelungen zur Bankenregulierung, Steuerflucht etc. in Zeiten eines steigenden Nationalismus schon ewig Zeit braucht.
„Normale“ Menschen können David Hockney Kunst als Poster kaufen, mit dem New Yorker für wenige Dollar erwerben (Titelblatt, www.newyorker.com/magazine/2011/06/13) und in den öffentlichen Museums-Sammlungen vieler Länder für wenig Geld oder ganz umsonst ansehen. Sie können auch immer eine kleine Hockney-Galerie mit sich führen, denn auch die neuen Medien hat sich Hockney schnell nutzbringend zu eigen gemacht: Unter www.davidhockney.co/index.php/works/digital/ipad werden 92 iPad Drawings von David Hockney zur Verfügung gestellt, komfortabel zum Durchklicken angeordnet. Wer die das erste Mal durchgesehen hat, hat keinen Zweifel mehr daran, dass David Hockney Kunst und nicht Kitsch hervorbringt.
Hockney`s Geschenk an alle am Leben und Lernen interessierten Menschen
Darüber hinaus können alle am Leben interessierten Menschen von David Hockney die Anregung mitnehmen, sich des verfügbaren Wissens zu bedienen. Während Hockney für jeden unverständlichen Begriff extra in eine Bibliothek fahren musste (sich umfassende Fortbildung also letztlich nur wegen seiner früh herausgehobenen Stellung leisten konnte), können wir heute bei Wikipedia und Co. nachschlagen …
Die Eltern haben Hockney aber auch beigebracht, seinen eigenen Verstand anzustrengen, Quellen auszuwählen und zu prüfen, zu zweifeln und zu lernen. Das können auch heute nicht alle Eltern leisten; Schulen, Universitäten und sonstige Fördermöglichkeiten versagen in einem auf unsinnigen Konkurrenzkampf ausgerichteten System zunehmend und entlassen ängstliche, lernscheue Individuen ins Erwachsenenleben. Bis die bereits spürbaren Gegentendenzen greifen, heißt es für all diese Menschen: Selbst ist der Mann oder die Frau, wobei neben Unsicherheit in der Auswahl der Quellen häufig auch unangenehme Lernerfahrungen die Eigeninitiative blockieren.
Bildungshemmnisse bei Erwachsenen abzubauen, ist auch Aufgabe der Medien; dass diese hier ziemlich versagen, zeigt ein Blick in Tageszeitung und Fernsehprogramm. Beide sind dafür beim Kitsch gut mit dabei, in seinen schlimmsten verlogenen, realitätsfernen, respektlosen Auswüchsen: Berichte über Royals und Promis und Doku-Soaps im (öffentlichen) Vorabendprogramm, Ergüsse einer lange nicht mehr schreibenden (und am 06.02.2019 mit 94 Jahren verstorbenen) Rosamunde Pilcher, die heute von einer nicht existenten Inga Lindström verfasst werden, zur besten Sendezeit …
Im Internet kann man aber auch lernen, wie man lernt und welchen Quellen man trauen kann. Zum Beispiel hier: www.gerald-huether.de und hier: kurier.at/wissen/lernen-lernen-hirnforscher-sandkuehler-erklaert-wie-es-geht/400347568, unter www.bpb.de – der offiziellen Website der Bundeszentrale für politische Bildung – findet man etliche neue pädagogische Ansätze unseres Bildungssystems plus jede Menge Inhalt auf dem neuesten Stand der Forschung.
Genau hier beginnt auch die Sache mit den Quellen: Wenn Sie auf der liebsten Suchmaschine „lernen lernen“ eingeben, kommen erst seitenweise Anzeigen oder Websites, die den Menschen gegen Bezahlung von meist sehr viel Geld das Lernen beibringen möchten. Dann kommen seitenweise Gratis-Angebote – von den Schulen und Universitäten, die vielen heute wieder lernwilligen Erwachsenen früher die Lern-Begeisterung ausgetrieben haben.
Der schon lange für eine völlig neue Ausrichtung unseres (Bildungs-) Systems engagierte Neurobiologe Hühter würde vermutlich warnen: Meiden Sie als Lernwilliger jede Website, die schon in der Unterzeile von „mehr Effizienz“, „Lernarbeit“, „Leistungssteigerung“ spricht, sie könnte sich als kontraproduktiv erweisen.
In den vielen Suchergebnissen verstecken sich auch einige ermutigende Artikel, z. B. diese beiden kurz nach dem 2000er PISA-Desaster veröffentlichten: Wissen.de (Konradin Mediengruppe, mit größter Anbieter von Fachinformationen im deutschsprachigen Raum) stellt unter dem Titel „Das Lernen lernen“ eine Studie der OECD vor, nach der Motivation, Selbstvertrauen, wirkungsvolle Lernstrategien und die Einstellung der Schüler zum Lernen großen Einfluss auf den Lernerfolg haben (www.wissen.de/das-lernen-lernen-eine-studie-der-oecd).
Oder der Artikel im Wirtschaftsmagazin brand eins, der Ideen vorstellt, wie die in Mathe, Naturwissenschaften und Lesen auf Platz 20+ der PISA-Studie herumdümpelnden Schüler aus dem Land der Dichter, Denker und Nobelpreisträger wieder Anschluss finden sollen (www.brandeins.de/corporate-publishing/mck-wissen/mck-wissen-bildung/lernen-lernen).
Aber: brand eins, das sich laut Goethe-Institut der Suche nach der menschlichen Seite der Ökonomie widmet, stellt mangels anderer Konzepte ein Sanierungskonzept der Unternehmensberatung McKinsey & Company vor, die weltweit zu den führenden Leistungstreibern gehört. Sätze wie „Jeder weiß, dass Finnen, Japaner oder – im Bezug auf die Universitäten – Amerikaner ein besseres Bildungssystem haben als wir. Aber wer weiß schon, warum?“ zeigen, wie weit auch brand eins damals noch von der „menschlichen Seite der Ökonomie“ entfernt war.
Inzwischen weiß man, warum die Finnen und Japaner ein besseres Bildungssystem haben. In Finnland werden Lehrer geschätzt, die wiederum respektvoll mit ihren Schülern umgehen und ihnen größtmögliche Freiheit zur Selbstentdeckung des Lernens lassen; in Japan wirken konfuzianische Ehrfurcht vor Bildung, Wertschätzung des gemeinsamen Lernens ohne Sitzenbleiben und Raum für innovative Entwicklung (noch) gut mit wachsendem Leistungsdruck auf den Schulen zusammen.
Die Amerikaner sind in der PISA-Studie inzwischen auf Platz 31 abgerutscht, der universitäre Nachwuchs verreckt reihenweise an absurd hohen Studienkrediten oder verlässt gleich das Land, weil dort die Forschung immer mehr eingeschränkt wird; und wirkungsvolle Lernstrategien haben nachweislich auch nur dann großen Einfluss auf den Lernerfolg, wenn sie vom Schüler selbst für einen Stoff entwickelt werden, den er auch selbst lernen will …
Konstantin Cavafy hatte auch dazu bereits 1922 etwas zu sagen:
As Much As You Can
And if you can’t shape your life the way you want, at least try as much as you can – not to degrade it by too much contact with the world, by too much activity and talk.
Try not to degrade it by dragging it along, taking it around and exposing it so often to the daily silliness of social events and parties, until it comes to seem a boring hanger-on.“
In deutscher Sprache:
Und wenn Du Dein Leben nicht so gestalten kannst, wie du möchtest, versuch wenigstens soviel du kannst – es nicht noch ärmlicher zu machen durch zu viel Kontakt mit der Welt, zu viel Aktionismus und BlaBla
Bemüh‘ Dich, es nicht herabzuwürdigen durch zögerliches Handeln, indem Du Dich im Kreis drehst und es so oft der täglichen Dummheit von Events und Partys aussetzt, bis du als langweiliger Schmarotzer giltst.
(englische Übersetzung zitiert aus: www.cavafy.com/poems/content.asp?id=113&cat=1, deutsche Übersetzung durch Autor dieses Artikels).
Die Welt ist schön
In diesem kurzen und fesselnden Video teilt der herausragende britische Künstler seine tiefen Einsichten über das Sehen und Malen – eine Leidenschaft, die ihn seit über 60 Jahren begleitet. Dabei entfaltet er eine Geschichte, die dazu anregt, über unsere gegenwärtige Zeit nachzudenken.
„Die Welt ist überaus schön, wenn man sie wirklich betrachtet. Doch viele Menschen sehen nur oberflächlich. Sie scannen den Boden vor sich, um zu navigieren, aber sie nehmen die Dinge nicht mit der gebotenen Aufmerksamkeit wahr. Ich hingegen tue dies, und es ist mir schon immer bewusst gewesen.“
Im März 2020 reagierte Hockney auf den Ausbruch des Coronavirus mit seiner iPad-Zeichnung „Do Remember They Can’t Cancel the Spring“ (2020).
In diesem Video berichtet er von einer bemerkenswerten Begebenheit: Ein Philosoph wurde in einer Nachrichtensendung gefragt, wie man angesichts der negativen Nachrichten optimistisch bleiben könne. Seine Antwort lautete: „Nun, das ist Fernsehen. Schlechte Nachrichten verkaufen sich.“ Auf die Nachfrage des Reporters nach der positiven Nachricht entgegnete der Philosoph mit einem leichten Lächeln: „Nun, der Frühling kommt.“ Hockney lacht, während er diese Anekdote teilt.
Sein respektvoller Umgang mit der Natur und seine Fähigkeit, uns die Schönheit des Lebens vor Augen zu führen, laden uns ein, innezuhalten und die Welt um uns herum in vollen Zügen zu erleben.
Nutzen Sie die Gelegenheit, mehr über Hockneys faszinierende Sichtweise zu erfahren und lassen Sie sich von seiner Kunst inspirieren – vielleicht bei einer kommenden Ausstellung oder durch weiterführende Literatur über seine beeindruckenden Werke.
Passionierte Autorin mit regem Kunstinteresse