Georg Baselitz gehört nun schon fast ein halbes Jahrhundert zu den bedeutendsten deutschen Malern und Bildhauern, er ist vielleicht überhaupt der bekannteste zeitgenössische deutsche Künstler, und doch fällt vielen Deutschen zu seinem Namen nicht mehr ein als ein: „Ist das nicht der mit den Bildern auf dem Kopf?”
Ja, das ist richtig. Es gibt jedoch noch mehr über Baselitz zu berichten: Georg Baselitz wurde 1938 in Deutschbaselitz, das in der Oberlausitz liegt, geboren. Nach seinem Abitur im Jahr 1956 studierte er Malerei an der Hochschule für bildende Künste in Berlin-Weißensee. Seine Professoren waren der systemunabhängige Lovis-Corinth-Schüler Herbert Behrens-Hangeler, aber auch “Genosse Künstler” (Axel Hecht in arte 12/2008, S. 74-79) Walter Womacka war ebenfalls einer seiner Professoren.
Georg Baselitz, der als Maler, Grafiker und Bildhauer tätig ist, gilt als ein prägender Nachkriegskünstler. Er wies die Abstraktion zurück und favorisierte stattdessen klare, erkennbare Themen. Dabei verwendete er bewusst einen groben Stil der Darstellung sowie eine intensivere Farbpalette, um unmittelbare Emotionen auszudrücken. Durch die Auseinandersetzung mit dem von den Nationalsozialisten kritisierten deutschen Expressionismus stellte Baselitz die menschliche Figur wieder in den Fokus der Malerei.
Staatsbürgerliche Unreife in der DDR und Umzug nach West-Berlin
Das ging nicht lange gut, schnell zeigte sich die Unvereinbarkeit des Baselitzschen Individualismus mit den sozialistischen Vorstellungen der DDR, schon nach zwei Semestern wurde er wegen „staatsbürgerlicher Unreife“ von der Hochschule geworfen.

Im Jahr 1956 vollzog Georg Baselitz in dessen Folge einen bedeutenden Schritt in seiner künstlerischen Laufbahn, als er an die Kunstakademie in West-Berlin wechselte. Diese Entscheidung markierte nicht nur einen geografischen Umzug, sondern auch einen entscheidenden Wendepunkt in seiner Entwicklung als Maler. Während seiner Studienzeit in der pulsierenden Metropole, die damals ein Zentrum für zeitgenössische Kunst und kulturelle Entwicklungen war, konnte Baselitz seine Fähigkeiten weiter verfeinern und seinen eigenen Stil entwickeln.
1962 schloss er schließlich sein Studium ab und trat damit in eine neue Phase seines künstlerischen Schaffens ein. Um seine Wurzeln und die Verbindung zu seiner Herkunft zu würdigen, entschloss er sich in dieser Zeit, den Nachnamen „Baselitz“ anzunehmen. Dieser Schritt symbolisierte seine tiefe Verbundenheit mit seinem Geburtsort.
Inspiration von abstrakten Künstlern und Kunst aus dem psychiatrischen Kontext
In Berlin hatte er freien Zugriff auf sämtliches Wissen rund um die Kunst. Besonders beeindruckten den jungen Baselitz die Werke von Wassily Kandinsky, Kasimir Malewitsch und Ernst Wilhelm Nay, mit deren Theorien er sich besonders beschäftigte.
Außerdem reiste er nach Paris und Amsterdam, erkundete das Schaffen von Antonin Artaud und Jean Dubuffet und war fasziniert von der Sammlung Prinzhorn, der ersten Anthologie künstlerischer Werke aus dem psychiatrischen Kontext.
1961 fühlte er sich bereit für den Beginn seiner eigenen Arbeit und nahm frohgemut den Künstlernamen Georg Baselitz an (der an seinen Geburtsort angelehnt ist, wie pfiffige Kombinierer bereits am Anfang des Artikels vermutet haben).
Auflehnung gegen Esoterik und vorherrschende Moden in der Kunstwelt
Die Kunst der Hauptstadt, diese „ganze Harmoniesuppe, in der nur alles fade dahindümpelte” (Baselitz in Welt Online, 4.2.2012), war aber auch nicht nach Baselitz’ Geschmack. Baselitz empfand die Kunsthochschule als von Esoterikern okkupiert, während der Buddhismus die vorherrschende Mode darstellte; er und sein Kollege Eugen Schönebeck mussten und wollten daher auf andere Weise Aufmerksamkeit erregen.
Also veranstalteten sie gemeinsam ihre erste Ausstellung in der Charlottenburger Schaperstraße, die nicht von Verkäufen belohnt und z. B. in der Berliner Tageszeitung „Tagesspiegel“ mit vernichtender Kritik bedacht wurde.
Gegen diese kleinbürgerliche Kunstsicht schrieben Baselitz und Schönebeck nun, auch noch 1961, das „1. Pandämonische Manifest“, 1962 folgte das „2. Pandämonische Manifest“, kritische Schriften, die mit kräftigen rhetorischen Geschützen die entschlossene Haltung gegen alles Stimmige und Konventionelle proklamieren, die Baselitz’ gesamtes Werk von nun an durchziehen wird.
Diese Haltung führte aber 1963 erst einmal zu einem mächtigen Kunstskandal, als Baselitz, angeregt durch einen Zeitungsartikel über den aufmüpfigen irischen Dichter Brendan Behan, der betrunken und mit offener Hose auf großer Bühne Gedichte deklamiert hatte, drei Varianten seiner „Großen Nacht“ malte, auf jeder ein
merkwürdiger Kerl, der sich an seinen Pimmel fasst.” (Baselitz, s. o.).
„Die große Nacht im Eimer“ wurde bei seiner ersten Einzelausstellung in der Galerie Werner & Katz von den Berlinern mit Verstörung aufgenommen. Das Bild wurde schließlich von der Berliner Staatsanwaltschaft zusammen mit einem weiteren Baselitz-Werk wegen angeblicher Unsittlichkeit beschlagnahmt.
Es kam sogar zur (später aufgehobenen) Verurteilung zur Zahlung von 400,- DM, Baselitz konnte den Unruhen um seine Kunst jedoch entgehen, weil ihm (ohne eigene Bewerbung) der Villa-Romana-Preis des Jahres 1965 verliehen wurde. Er nahm das mit dem Preis verbundene Stipendium an und verbrachte erhebliche Teile des Jahres im Künstlerhaus in Florenz.
Im Jahr 1966 verließ Baselitz verärgert Berlin, und seine Empörung über das ihm widerfahrene Unrecht führte dazu, dass er mit der Entwicklung seiner Frakturbilder begann. Eine Zeit lang wurden alle Bildmotive in dieser Art in Streifen zergliedert und neu zusammengesetzt.
Die Frakturbilder führten ihn schließlich 1969 dazu, seine Bilder auf den Kopf zu stellen, eine Attitüde, mit der er bekannt und berühmt werden sollte. Schon 1970 zeigte die Kölner Galerie Franz Dahlem eine Ausstellung von ihm, die ohne Ausnahme kopfstehende Bilder zeigte.

Bildquelle: Lothar Wolleh, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons
Mit diesen „auf dem Kopf“ stehenden Bildern wurde er nun berühmt, ab etwa 1975 hingen Baselitz-Bilder bei eigentlich allen bedeutenden Ausstellungen und Museen, in Deutschland und im Ausland. Auch an Geld war der Maler nun nicht mehr knapp, 1971 zog er in eine Villa in Forst an der Weinstraße, 1975 kaufte er Schloss Derneburg in Niedersachsen (das er 2006 wieder verkaufte, er wohnt heute am Ammersee in Oberbayern).
Mit den Auf-dem-Kopf-Bildern war seine künstlerische Entwicklung nicht abgeschlossen, es gab eine Phase von sogenannten „Russenbildern”, in der Baselitz die ihm aus der DDR-Jugend bekannten Bilder des sozialistischen Realismus verfremdete, und eine Phase des „Remix“, in der er ältere eigene Bilder aus einer frischen Perspektive zeitnäher und schärfer gestaltete.
Im Jahr 1965 begann Baselitz, sich mit dem Thema „Helden“ auseinanderzusetzen. Die Werke „Helden“ (1965–66) – auch unter dem Titel „Neue Typen“ bekannt – sind in dicker, pastoser Farbe gestaltet und zeigen Figuren, die in natürlichen Landschaften platziert sind. Diese vom Krieg geprägten Figuren erscheinen zerzaust und fragmentiert, was beim Betrachter eine starke emotionale Reaktion hervorruft, da sie die Geschehnisse der jüngsten Vergangenheit heraufbeschwören.
In den 1980er-Jahren intensivierte sich zunehmend das Schaffen des Künstlers, da er eine Vielzahl an formalen und kunsthistorischen Anspielungen einbezog, darunter auch die Werke von Edvard Munch und Emil Nolde. Gleichzeitig begann er mit der Gestaltung großflächiger Skulpturen aus bemaltem Holz und stellte diese Arbeiten erstmals 1980 auf der Biennale di Venezia vor, wo er ein Modell für eine Skulptur (1979–80) präsentierte.
Außerdem lehrte Baselitz von 1977 bis 1983 in einer Professur an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Karlsruhe und war von 1983 bis 1988 und von 1992 bis 2003 als Professor an der Hochschule der Künste in Berlin (ab 2001 in der Universität der Künste Berlin) berufen.
Baselitz im 21. Jahrhundert
Die Gemälde, die Baselitz zwischen 1990 und 2010 schuf, stellten einen weiteren Wandel in seiner künstlerischen Praxis dar und zeigten eine linearere sowie abstraktere Annäherung an die menschliche Figur. In der Remix-Reihe (2005–08) griff Baselitz seine früheren Arbeiten erneut auf und stellte seine einstigen Themen grafisch neu dar, sodass deren subtile Bedeutungen und technische Neuerungen klarer zum Vorschein kamen.

Bildquelle: DIaNyf8q, CC0, via Wikimedia Commons
Im Jahr 2015 wurden Baselitz‘ Avignon-Gemälde (2014) – eine Serie von acht hoch aufragenden Akt-Selbstporträts – auf der Biennale di Venezia präsentiert. Im darauffolgenden Jahr wurden verwandte Selbstporträts mit Spektralfiguren in der Gagosian-Galerie, West 21st Street, New York, gezeigt. Im Jahr 2018 fand eine umfassende Retrospektive von Baselitz’ Werk in der Fondation Beyeler in Riehen/Basel, Schweiz, sowie im Hirshhorn Museum and Sculpture Garden in Washington, D.C. statt.
Unzählige Ausstellungen und Ehrungen
Georg Baselitz hatte im Verlauf seiner Karriere zahlreiche bedeutende Ausstellungen. Hier sind einige der wichtigsten zusammengefasst:
- Biennale di Venezia (2007) Baselitz repräsentierte Deutschland auf der 52. Biennale von Venedig, einem der prestigeträchtigsten Kunstereignisse weltweit.
- Royal Academy of Arts, London (2007-2008) Diese retrospektive Ausstellung bot einen umfassenden Überblick über Baselitz‘ Werke und markierte einen wichtigen Meilenstein in seiner internationalen Anerkennung.
- Museum of Modern Art, New York (1995) Diese Ausstellung in einem der bekanntesten Museen der Welt festigte Baselitz‘ Ruf als bedeutender Künstler der modernen Kunst.
- Guggenheim Museum Bilbao (1996) Ausstellung im renommierten Guggenheim Museum, das für seine Sammlung moderner und zeitgenössischer Kunst bekannt ist.
- Kunstmuseum Bonn (2013) Eine thematische Ausstellung, die sich intensiv mit den frühen Werken des Künstlers beschäftigte und neue Perspektiven auf seine künstlerische Entwicklung eröffnete.
- Pinakothek der Moderne, München (2014-2015) Eine umfassende Retrospektive, die Werke aus verschiedenen Schaffensphasen präsentierte und Baselitz‘ Einfluss auf die moderne Kunst betonte.
- Fondation Beyeler, Riehen (2018) Eine bedeutende Ausstellung mit Werken, die den Einfluss der europäischen und der amerikanischen Kunst auf Baselitz‘ Schaffen beleuchteten.
Er konnte unzählige Ehrungen entgegennehmen, u. a. den Goslarer Kaiserring, den französischen Orden der Künste und der Literatur, eine Ehrenprofessur an der Royal Academy of Arts London, den als „Nobelpreis der Künste” geltenden Praemium Imperiale Award und zahlreiche andere bedeutende Ehrungen und (Ehren)mitgliedschaften. Seine Werke sind in rund 30 öffentlichen Sammlungen in Deutschland und in verschiedenen europäischen Kollektionen vertreten.
Eine vollständige Auflistung seiner Ausstellungen und Auszeichnungen finden Sie hier.
Gemüter mit einem stärkeren Hang zur Ironie empfanden es schon damals als bezeichnend für den arrivierten Kunstbetrieb und die Moral der 1960er Jahre, dass die vergleichsweise harmlose (weil eindeutig künstlerische) Darstellung zweier nackter Männer eine solche Reaktion auslösen konnte und eine eindeutig ironisch gemeinte Übertreibung so die entscheidende Schaffenskrise in Baselitz auslösen hat, die ihn später dazu brachte, seine Bilder auf den Kopf zu stellen. Und sie finden es geradezu folgerichtig, wenn diese auf den Kopf gestellte Kunst es dann war, die Baselitz “Geld und Macht und Weltruhm in der Kunstwelt” einbrachte.
Vertiefende Informationen zum Künstler:
- Zu verkaufende Kunstwerke und ausgewählte Ausstellungen zu Georg Baselitz
- Beitrag des Spiegels „Baselitz-Gemälde bringt 2,7 Millionen Euro“

Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.