In einer Ära von Massenfertigung und Fast Fashion erlebt das Kunsthandwerk des Maßschneiderns eine Renaissance. Sie steht nicht bloß für exzellente handwerkliche Fertigkeit, sondern auch für Einzigartigkeit und persönliche Eleganz. Die edle Handwerkskunst der Maßschneiderei vereint altehrwürdige Bräuche mit zeitgemäßen Standards und zaubert Kreationen hervor, die nicht nur einfache Stoffe sind, sondern die Essenz der Individualität ihres Besitzers verkörpern.
Wer die Wahl trifft, sich für individuell angefertigte Kleidung zu entscheiden, legt sein Geld in ein Einzelstück an, das exakt auf die persönliche Körperform zugeschnitten ist. Die Schneiderkunst nimmt Rücksicht auf persönliche Maße, Eigenheiten der Haltung und individuelle Präferenzen in einem Ausmaß, das von Massenware aus Fabriken niemals erreicht werden kann.
Die Renaissance eines traditionellen Handwerks
Anfänge im Mittelalter
Die Schneiderkunst kann auf eine vielschichtige Geschichte zurückblicken, die bis ins mittelalterliche Europa zurückreicht. Von Hand hergestellte Kleidung war damals locker und formlos. Gut situierte Bürger begannen damit, nach eleganterer und ausgefeilterer Kleidung zu verlangen, als die Gesellschaft wohlhabender wurde. Maßgeschneiderte Kleidung wurde geschaffen, um den Körper enganliegender und attraktiver zu umschmeicheln.
Die ersten maßgeschneiderten Kleidungsstücke waren für Männer und betonten ihre Körper. Woll- oder Seidenkleidung wurde so geschnitten, dass sie eng am Körper anlag und breite Schultern sowie eine schmale Taille betonte.
Die Zahl der Schneider nahm zu, als die Nachfrage nach maßgeschneiderter Kleidung stieg. Die erste Schneiderinnung Londons wurde im 12. Jahrhundert gegründet. Diese Zunft regelte das Schneiderhandwerk, setzte Qualitätsstandards und bildete Schneider aus. Schneider waren seit dieser Zeit für ihre Fähigkeit bekannt, ansprechende, gut sitzende Kleidung zu machen. Sie kreierten auch neue Herren- und Damenmode.
Extravaganz der Renaissance
Die Schneiderkunst der Renaissance war merklich extravaganter. Männer trugen Stickereien, Spitze und andere Verzierungen, während Damen aufwendige Korsetts und Reifröcke trugen.
Maßgeschneiderte Kleidung spiegelte auch den sozialen Status wider. Seide und Samt wurden von Lords und der Aristokratie getragen, während Wolle und Leinen bei den ärmeren Klassen Verwendung fanden. Das Schneiderhandwerk hat sich mit dem Stil und den sozialen Standards jeder Epoche verändert, von seinen bescheidenen Anfängen im mittelalterlichen Europa bis hin zu den komplexen modernen Streetwear-Stilen.
Das Goldene Zeitalter
Das Goldene Zeitalter des Schneiderhandwerks liegt in den 20er- und 30er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Kürzere Jacken und höher geschnittene Hosen machten die Männeroutfits schlanker. Seide und Viskose wurden in dieser Zeit eingeführt, was den Anzügen eine schlanke, elegante Ausstrahlung verlieh.
Hollywoods Aufstieg in den 1920er und 1930er Jahren beeinflusste die Männermode ebenfalls. Filmstars wie Cary Grant und Clark Gable inspirierten Männer weltweit dazu, maßgeschneiderte Anzüge und Smokings zu tragen. Die Hauptdarsteller der damaligen Zeit trugen zweireihige Anzüge und Spitzrevers, beeinflusst von Hollywood.
Die italienische Schneiderkunst dominierte die Mode nach dem Zweiten Weltkrieg. Italienische Designer wie Giorgio Armani und Ermenegildo Zegna veränderten die Branche mit weichen, ungefütterten Mänteln und prächtigen Stoffen. Der italienische Stil, von der Form der Jacken bis zur Qualität der Nähte, ist für seine Eleganz und Raffinesse bekannt.
Maßschneiderei heute: Neuer Schwung durch Tailoring 2.0
Die Maßschneiderei erlebt derzeit unter dem Schlagwort Tailoring 2.0 eine bemerkenswerte Renaissance. Zunehmend begreifen immer mehr Individuen die Bedeutung von maßgeschneiderter Kleidung, die exklusiv für sie gefertigt wird. Ein maßgeschneiderter Anzug schmiegt sich nicht nur wie eine zweite Haut an, sondern schenkt auch einzigartige Ausstrahlung und Charisma. Die exakte Anpassung, die exquisite Handwerkskunst und die bedachte Auswahl der Materialien verwandeln jedes Objekt in einen beständigen Gefährten.

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Die kunstfertige Ausübung des Schneiderhandwerks verlangt nach langjähriger Schulung und Praxis. Vom ersten Ausmessen über die Materialwahl bis zu zahlreichen Anproben wird ein Kleidungsstück in einem komplexen Verfahren kreiert, das auf althergebrachte Methoden setzt. Selbstgestrickte Knopflöcher, von Hand eingefügte Verstärkungen und maßgeschneiderte Schulterpartien sind nur einige Beispiele für die akribische Handwerkskunst, die ein individuell angefertigtes Kleidungsstück charakterisiert.
Hannes Riedl, Mitinhaber des Grazer Herrenausstatters Jeremy’s, erklärt in einem Podcast der Österreichischen Textilzeitung, warum der Anzug nicht von gestern ist, weshalb die Pitti Uomo auch weiter wegweisend ist und wie Social Media den Stil junger Männer neu definiert.
Die Wertschätzung für dieses Handwerk wächst besonders bei Menschen, die Qualität über Quantität stellen und bewusst konsumieren möchten. Maßgefertigte Kleidung ist eine nachhaltige Alternative zur Wegwerfmode, denn sie wird mit dem Anspruch geschaffen, Jahrzehnte zu überdauern.
Was maßgeschneiderte Kleidung auszeichnet

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Expertenrat von Meistern ihrer Zunft
Der Schneider berücksichtigt den eigenen Stil des Kunden, die berufliche oder soziale Situation des Kunden und den beabsichtigten Zweck des Kleidungsstücks, bevor er Vorschläge zu Stoffen, Schnitten und Farben macht.
Optimale Passform
Die akribische Liebe zum Detail und die genauen Maße, die bei der Herstellung jedes Anzugs verwendet werden, heben ihn von massenproduzierten Kleidungsstücken ab. Seien Sie versichert, dies wird Ihren Komfort, Ihre Eleganz und Ihre Individualität gewährleisten.
Anpassung auf jedem Level
Die Persönlichkeit des Kunden spiegelt sich in jedem Teil des Kleidungsstücks wider, von der Stoffwahl über die Art der Knöpfe und das Futter bis hin zur Stickerei.
Persönlichkeit durch individuelle Gestaltung
Individualisierte Kleidungsstücke erlauben es, die persönliche Identität auf eine ganz besondere Art und Weise zu präsentieren. Man kann jedes winzige Element ganz nach eigenem Gusto gestalten: von der Auswahl des Gewebes über die Farbgebung der Knöpfe bis hin zum Zuschnitt der Taschen. Die kreative Freiheit bei der Ausgestaltung verleiht jedem Kleidungsstück eine individuelle Note.

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Gerade zu feierlichen Gelegenheiten offenbart sich die Bedeutung von individuell angefertigter Garderobe. Ein Smoking nach Maß für besondere Anlässe verspricht nicht bloß eine makellose Passform, sondern auch die Sicherheit, ein Einzelstück zu tragen, das genau den eigenen Ideen entspricht. Die Option, Rückseiten, Schmetterbälle und Feinheiten nach eigenem Gusto zu gestalten, zaubert einen Style herbei, der absolut einzigartig ist.
Zudem fließen in die Schneiderei auch die alltäglichen Anforderungen mit ein. Praktische Innenfächer für Mobiltelefone oder Tablets, robuste Nähte an stark beanspruchten Stellen oder individuelle Schnitte für spezifische Bewegungsabläufe – all diese Features können in individuell angefertigte Kleidungsstücke eingearbeitet werden.
Eine Investition in Qualität und Langlebigkeit
Individualisierte Garderobe ist zweifellos eine finanzielle Investition, die auf lange Sicht aber Früchte trägt. Durch die Wahl exquisiter Materialien, akribische Handwerkskunst und eine makellose Anpassung wird gewährleistet, dass individuell angefertigte Kreationen über etliche Jahre hinweg ihre Struktur und Exzellenz bewahren. Im Gegensatz zur Massenware, die nach kurzer Zeit ausgetauscht werden muss, gewinnen maßgeschneiderte Kleidungsstücke im Laufe der Zeit an Persönlichkeit.
Eine zusätzliche Begünstigung ergibt sich aus der Option der Individualisierung. Verändert sich die Figur im Laufe der Jahre, so können individuell gefertigte Kleidungsstücke oft modifiziert werden – eine Möglichkeit, die bei Massenware nicht gegeben ist.
Die Verbindung zwischen Schneider und Kundschaft hat einen besonderen Stellenwert in der Maßschneiderei.“
Bei einem Plausch werden nicht bloß maßgeschneiderte Outfits kreiert, sondern auch dauerhafte Bande des Vertrauens geknüpft. Der Gewandmeister erkundet die Präferenzen, den Lifestyle und die Ansprüche seiner Klientel und kann demzufolge Mode kreieren, die perfekt zum persönlichen Lifestyle passt.
Die Kunst der Maßschneiderei verkörpert somit ein kunstvolles Handwerk, das Jahrhunderte überdauert hat und individuelle Überzeugungen in einer immer gleichförmiger werdenden Welt widerspiegelt.“
Innovationen im Bereich der zeitgenössischen Schneiderei
Trotz der Tatsache, dass das Schneiderhandwerk eine Renaissance erlebt, bedeutet dies nicht, dass andere Aspekte unverändert bleiben werden. Im Laufe der Jahre hat sich das Schneiderhandwerk weiterentwickelt, und damit auch die Technologie, die mehr Effizienz ermöglicht, ohne den persönlichen Touch zu opfern, der synonym mit diesem Handwerk geworden ist.
3D-Body-Scans: Vermessung des virtuellen Körpers
3D-Body-Scan-Verfahren erleichtern es, Messungen rechtzeitig und exakt bereits an einem 3D-Modell des Kundenkörpers durchzuführen, was wiederum die Menge der erforderlichen Nacharbeiten und aufwändigen Anpassungen reduziert.
Digitale Visualisierung der Anpassung
Wenn Kunden digitales Design verwenden, um ihren Anzug virtuell anzuprobieren, bevor er überhaupt produziert wird, haben sie gestärktes Vertrauen in die Farb-, Textur- und Finish-Auswahl, die sie getroffen haben.
Innovationen in der Automatisierung
Auch wenn es einige Phasen des Stoffschneidprozesses gibt, die durch den Einsatz von automatisierten Präzisionsmaschinen effizienter und verlässlicher ablaufen, werden viele Schritte im Produktions- und Fertigungsverfahren immer noch von Hand durchgeführt. Das trägt dazu bei, die handwerkliche Qualität des Prozesses zu bewahren.
Starkes Wachstum im Bereich der Damenschneiderei
Trotz der Tatsache, dass Schneiderarbeiten immer mit Herrenbekleidung in Verbindung gebracht wurden, hat die Branche erst kürzlich begonnen, auch die Bedürfnisse von Frauen zu berücksichtigen.
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Maßanzüge für Damen, die personalisiert sind
Aufgrund von Stilen, die feminine Kurven betonen, ohne die Professionalität zu beeinträchtigen, wird das Schneidern für Frauen zunehmend beliebter, insbesondere in beruflichen Umfeldern.
Transgender-Fashion
Ein weiterer Trend, der derzeit an Bedeutung gewinnt, ist die Herstellung von Anzügen, die nicht den konventionellen Geschlechterstereotypen entsprechen. Stattdessen werden diese Anzüge so gestaltet, dass sie sich an die spezifischen Modevorlieben und Neigungen jedes Einzelnen anpassen.
Die Rolle von Influencern und berühmten Persönlichkeiten in den Medien
Die Verbreitung von Inhalten über das Schneiderhandwerk ist eine weitere Maßnahme, die Hersteller, Labels und Brands ergriffen haben, um die Branche zu revitalisieren. Zahlreiche bekannte Persönlichkeiten und erfolgreiche UnternehmerInnen tragen maßgeschneiderte Anzüge, um ihre Persönlichkeit auszudrücken und ihrem Auftreten Aussagekraft zu verleihen.
Unter dem Aufmacher „Tailoring 2.0“ berichtete die Österreichische Textilzeitschrift jüngst davon, wie Maßschneiderei die junge Gen Z auf TikTok aufmischt: Im ÖTZ-Podcast wunderten sich die Hosts unter anderem über das unerwartete Comeback der klassischen Herrenmode und stießen auf trendende Begriffe wie „Old Money“ und „Quiet Luxury“, die in Social Media in aller Munde sind (siehe Videobeitrag weiter oben).
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Durch die Präsentation ihrer Arbeit in den sozialen Medien haben zeitgenössische Schneider die Möglichkeit, sich mit einer jüngeren Kundschaft zu verbinden, die großen Wert auf Individualität und Personalisierung legt.

Inhaber und Geschäftsführer von Kunstplaza. Publizist, Redakteur und passionierter Blogger im Bereich Kunst, Design und Kreativität seit 2011. Erfolgreicher Abschluss in Webdesign im Rahmen eines Hochschulstudiums (2008). Weiterentwicklung von Kreativitätstechniken durch Kurse in Freiem Zeichnen, Ausdrucksmalen und Theatre/Acting. Profunde Kenntnisse des Kunstmarktes durch langjährige journalistische Recherchen und zahlreichen Kooperationen mit Akteuren/Institutionen aus Kunst und Kultur.










